Das Sigma-Protokoll
weiter bis zum Ende des Korridors ging. Linker Hand befand sich eine rote Tür. Verschlossen. Zugang nur mit Chipkarte. Anders als die anderen Türen im Korridor hatte diese kein kleines Fenster auf Augenhöhe.
An der Tür hing auch kein Schild. Er musste wissen, was sich dahinter verbarg.
Er steckte die Chipkarte in den Schlitz und wartete. Nichts. Anscheinend erforderte diese Tür eine spezielle Karte.
Er hatte sich schon halb abgewendet, als die Tür doch noch aufging.
Ein Mann in weißem Kittel kam heraus. Aus der Tasche lugte ein Stethoskop, unter dem Arm trug er ein Klemmbrett. Der Mann schaute Ben gleichgültig an, nickte und hielt ihm die Tür auf. Ben ging an ihm vorbei in den Raum.
Der Anblick verschlug ihm den Atem.
Er stand in einem hohen Saal von der Größe eines Basketballfeldes. Die gewölbte Steindecke und die hohen Buntglasfenster mit den Spitzbögen waren die einzigen Merkmale, die von der ursprünglichen Architektur noch übrig geblieben waren. Wenn er den Grundriss noch recht in Erinnerung hatte, dann war dieser gewaltige Raum früher eine Privatkapelle gewesen, allerdings mit den Ausmaßen einer richtigen Kirche. Ben fragte sich, ob sich hier in späteren Jahren die zentrale Werkhalle der Uhrenfabrik befunden hatte. Er schätzte die Halle auf mindestens dreißig Meter Länge und fünfzehn bis zwanzig Meter Breite. Die Decke war bestimmt zehn Meter hoch.
Heute beherbergte die Halle eine medizinische Einrichtung von gewaltigen Ausmaßen. Sie hatte allerdings auch etwas von einem riesigen Fitnessstudio an sich. Trotz der aufwändigen technischen Ausrüstung wirkte der Saal insgesamt spartanisch.
In einem Bereich des Raums standen Krankenhausbetten, die durch Vorhänge abgeteilt waren. Manche waren leer, in fünf oder sechs lagen Patienten, die an Monitore oder Infusionsständer angeschlossen waren.
In einem anderen Bereich sah Ben eine lange Reihe schwarzer Laufbänder, die alle mit EKG-Monitoren ausgerüstet waren. Auf ein paar Bändern liefen Männer und Frauen auf der Stelle. An ihren Armen und Beinen, Hälsen und Köpfen waren Elektroden oder Sonden befestigt.
An verschiedenen Stellen befanden sich kleine Schwesternstationen sowie Sauerstoff- und Anästhesieapparate. Etwa ein Dutzend Ärzte und Schwestern kümmerten sich um die Patienten.
Rundum entlang aller vier Hallenwände verlief in etwa sieben Metern Höhe eine schmale Balustrade mit Geländer.
Plötzlich fiel Ben ein, dass er schon viel zu lange an einem Ort stand. Er trug die Uniform eines Wachmannes, hatte sich also entsprechenden Aufgaben zu widmen. Langsam und selbstsicher, als hätte er eine wichtige Mission zu erfüllen, schaute er sich alles genau an.
In einem modernen schwarzen Sessel aus Leder und Stahl saß ein alter Mann. Von seinem Arm führte ein Plastikschlauch zu einem Infusionsständer. Der Mann hatte einen aufgeschlagenen Aktenordner auf den Knien und telefonierte. Ein Patient, der sich weiter um seine Geschäfte kümmerte.
Das Haar des Mannes war an manchen Stellen so weich und gewellt wie das eines Neugeborenen. An den Seiten wirkte es grober, dichter und voller. Die Spitzen waren zwar weiß oder grau, aber am Haaransatz wuchs es schwarz oder dunkelbraun.
Das Gesicht kam Ben bekannt vor. Wo hatte er es schon mal gesehen? Auf dem Titel von Forbes oder Fortune? Vielleicht ein berühmter Geschäftsmann?
Plötzlich fiel es ihm ein. Das war Ross Cameron, der so genannte Weise von Santa Fe. Einer der reichsten Männer der Welt.
Ross Cameron. Er war sich jetzt ganz sicher.
Den jüngeren, etwa vierzig Jahre alten Mann, der neben Cameron saß, erkannte Ben sofort. Das war ohne Zweifel Arnold Carr, der Software-Milliardär und Gründer von Technocorp. Es war bekannt, dass Cameron und Carr befreundet waren. Cameron war für Carr mehr als ein Mentor oder Guru, er stand zu ihm wie zu einem Sohn. Auch Carr hing am Tropf, auch er telefonierte, auch er wahrscheinlich in Geschäften. Allerdings hatte er keine Papiere im Schoß liegen.
Zwei legendäre Milliardäre aus Amerika sitzen nebeneinander in einer so genannten Klinik in den österreichischen Alpen.
Und lassen sich irgendeine Flüssigkeit in den Körper pumpen.
Waren sie zur Untersuchung hier? Wegen einer Krankheit? Irgendetwas Bizarres lief hier ab. Etwas, das so geheim und bedeutend war, dass man dafür ausgeklügelte Sicherheitsvorkehrungen traf und etliche Morde beging.
Ein dritter Mann gesellte sich zu den beiden. Er sagte ein paar
Worte zu Cameron. Ben
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