Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das silberne Dreieck

Das silberne Dreieck

Titel: Das silberne Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
Letherson hatte außerdem absolute Vollmacht, als Testamentsvollstrecker meine Besitzungen zu veräußern, falls dies zu meinem Vorteil wäre. Bis heute morgen habe ich in Harlow gelebt.«
    »Mr. Letherson ist natürlich verheiratet?« fragte Leon.
    »Ja. Kennen Sie ihn?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß nur, daß er verheiratet und sehr verliebt in seine Frau ist.«
    Sie schien über die Worte erstaunt.
    »Sie müssen ihn doch kennen! Ja, er verheiratete sich, kurz bevor Mark seinen Tod fand. Eine sehr hübsche junge Ungarin, er ist ja auch ein halber Ungar, und ich glaube, er betet sie an. Sie soll sehr verschwenderisch sein, gesehen habe ich sie nur einmal.«
    »Und wie war Ihr Leben in Harlow?« Es war der schweigsame, beobachtende Poiccart, der diese Frage stellte.
    Die Lippen der Frau begannen zu zittern.
    »Wie ein ständiger Alpdruck - furchtbar«, ihre Stimme brach. »Das Haus war sehr hübsch, lag aber meilenweit von Harlow entfernt, nicht einmal an der Hauptstraße. Zwei Jahre hindurch war ich dort nichts anderes als eine Gefangene. Meine Briefe wurden geöffnet, jede Nacht wurde ich von einer der Frauen, die Mr. Letherson angestellt hatte, in mein Zimmer eingeschlossen, Tag und Nacht liefen Wächter auf dem Grundstück herum.«
    »Alles, um den Anschein zu erwecken, daß Sie geistig nicht ganz normal wären?« fragte Manfred.
    Sie schrak bei diesen Worten zusammen.
    »Aber Sie glauben das doch nicht?« rief sie schnell und, als er den Kopf schüttelte: »Gott sei Dank! Ja, das hat man dort überall erzählt. Bücher bekam ich, so viele ich wollte, aber Zeitungen niemals. Eines Tages fand ich ein abgerissenes Stück Zeitungspapier, das den Bericht über eine Bankfälschung enthielt, die Sie, meine Herren, aufgedeckt hatten, außerdem noch einen kurzen Bericht über Ihre - Vergangenheit. Sorgfältig bewahrte ich das Papier auf; es enthielt Ihre Adresse. Flucht schien unmöglich, ich hatte ja kein Geld, und wie sollte ich auch aus dem bewachten Grundstück herauskommen! Dann war da noch eine Frau, die zweimal in der Woche für die große Arbeit in das Haus kam, vom nächsten Dorf, glaube ich. Es gelang mir, ihr Mitleid zu erwecken, und gestern brachte sie mir die alten Kleider, die ich anhabe. Heute morgen kleidete ich mich um, sprang aus meinem Schlafzimmerfenster und kam unbemerkt an den Wachen vorbei. Und jetzt komme ich zu dem eigentlichen Grund meines Besuches bei Ihnen. Wie oft habe ich mir hierüber schon den Kopf zerbrochen!«
    Und sie zog aus der Tasche ihres durchnäßten Mantels ein kleines Päckchen, das sie aufwickelte.
    »Nach seinem Unfall wurde mein Mann in das kleine Hospital des Dorfes geschafft und starb in der Frühe des nächsten Morgens. Er muß aber, ohne daß die Pflegerinnen etwas bemerkten, sein Bewußtsein wiedergefunden haben, denn ein Teil des Lakens war mit kleinen Zeichnungen bedeckt, die er mit einem Tintenstift ausgeführt hatte. Der Bleistift hing an der Fieberkarte über seinem Bett; er hatte ihn abgerissen.«
    Sie breitete ein viereckiges Stück schmutziger Leinwand auf dem Tisch aus.
    »Mark zeichnete so gern - wissen Sie, so kleine Figuren und Häuser, wie sie Kinder und müßige Menschen gern malen, die nie richtig zeichnen gelernt haben.«
    »Wie ist das in Ihre Hände gekommen?« fragte Leon. Seine Augen funkelten.
    »Die Oberschwester im Hospital hat es mir abgeschnitten.«
    »Das kann ein Mann im Fieberwahn gezeichnet haben«, meinte Manfred stirnrunzelnd.
    »Ganz im Gegenteil«, versetzte Leon kühl. »Das ist doch klar und deutlich wie der helle Tag. Wo fand die Heirat statt?« »Auf dem Westminster Standesamt.«
    Leon nickte.
    »Versuchen Sie, sich den Tag genau ins Gedächtnis zu rufen! Ist Ihnen bei der Trauung nicht irgend etwas aufgefallen? Hatte Ihr Gatte nicht eine Privatunterhaltung mit dem Standesbeamten?«
    Sie riß ihre großen, blauen Augen weit auf.
    »Ja, jetzt erinnere ich mich. Mr. Letherson und mein Mann sprachen mit dem Beamten allein.«
    Leon lachte, wurde aber sofort wieder ernst.
    »Noch eine Frage. Wer hat das Testament aufgesetzt? Ein Anwalt?«
    Sie schüttelte verneinend den Kopf.
    »Nein, mein Mann. Er hat das ganze Testament vom Anfang bis zum Ende selbst geschrieben. Er hatte übrigens eine gute Handschrift, die deutlich zu lesen ist.«
    »Enthielt das Testament noch andere Bedingungen?«
    Sie zögerte, und ihr Gesicht färbte sich flammend rot.
    »Ja - aber die Bedingung war so beleidigend, daß ich sie Ihnen nicht erzählen

Weitere Kostenlose Bücher