Das silberne Dreieck
Rechnungen?«
Manfred lachte. »Und nun Seine Lordschaft! Laß ihn heraufkommen.«
Lord Geydrew kam etwas nervös in das Zimmer und schien durch das helle Licht über Manfreds Tisch geblendet. Augenscheinlich war er sehr erregt. Sein weichlicher Mund zitterte, und die Augen blinzelten so stark, daß die helle Beleuchtung dafür kaum verantwortlich zu machen war. Sein langes, gefurchtes Gesicht zuckte ständig, und von Zeit zu Zeit fuhr er sich durch das spärliche Haar.
»Ich hoffe, Mr. Manfred, Sie haben nichts - hm - gegen mich.«
Er suchte in seiner Tasche, zog einen schmalen Streifen Papier heraus und legte ihn vor Manfred auf den Schreibtisch. Manfred sah und war erstaunt. Poiccart vergaß seine Rolle als Diener und blickte gespannt hin. Übrigens lag für ihn keine Veranlassung vor, seine freiwillig gewählte Rolle beizubehalten.
Lord Geydrew blickte von einem zum anderen.
»Ich hatte gehofft, Ihr Freund ... Hm ...«
»Mr. Gonsalez ist ausgegangen; er kommt erst am Abend zurück«, sagte Manfred, der neugierig war, was kommen würde.
Dann brach seine Lordschaft zusammen und ließ den Kopf auf die Arme sinken.
»O mein Gott!« jammerte er. »So etwas Furchtbares ..., ich darf gar nicht daran denken.«
Manfred wartete geduldig. Endlich blickte der Mann auf.
»Ich muß Ihnen die Geschichte von Anfang an erzählen, Mr. Manfred. Meine Tochter Angela ... Sie kennen sie doch?«
Manfred schüttelte den Kopf.
»Sie hat sich heute morgen verheiratet - mit Mr. Guntheimer, einem sehr reichen australischen Bankier - einem wirklich netten Menschen.« Er fuhr sich mit dem Taschentuch über die Augen.
Langsam ging Manfred ein Licht auf.
»Mr. Guntheimer ist bedeutend älter als meine Tochter«, fuhr Seine Lordschaft fort, »und ich darf Ihnen nicht verhehlen, daß Angela nicht mit der Heirat einverstanden war. Sie hatte nämlich eine ganz dumme Geschichte mit dem jungen Sidworth - sehr gute Familie und so weiter, aber nicht einen Penny ... Es wäre Wahnsinn gewesen.«
Manfred verstand jetzt sehr gut.
»Die Hochzeit mußte beschleunigt werden, da Guntheimer früher nach Australien zurück mußte, als er erwartet hatte. Glücklicherweise fügte sich meine Tochter meinen berechtigten Wünschen; sie wurden heute morgen standesamtlich getraut und sollten mit dem Drei-Uhr-Zug nach der Insel Wight fahren.
Wir waren nicht auf dem Bahnhof, und den einzigen Bericht über den Vorfall dort habe ich von meinem Schwiegersohn erhalten. Er ging, wie er sagte, nach seinem für ihn reservierten Wagen, als er plötzlich meine Tochter vermißte. Er blickte sich um, ging zurück, fand sie aber nicht und dachte, sie wäre schon vorausgegangen, doch auch im Wagen war sie nicht. Dann ging er durch die Sperre in die Vorhalle. Angela war nirgends zu sehen, aber der Gepäckträger, der seine Sachen in den Wagen gebracht hatte, kam hinter ihm her und erzählte ihm, er hätte sie mit einem älteren Mann sprechen sehen. Beide wären nach dem Schalterraum gegangen und dann verschwunden. Ein anderer Gepäckträger auf dem Bahnhofsvorplatz hatte sie in ein Auto steigen sehen.«
Manfred machte sich kurze Notizen auf einem Block. Poiccart ließ den Besucher nicht aus den Augen.
»Der Gepäckträger«, fuhr Seine Lordschaft fort, »behauptet nun, meine Tochter wäre sehr widerwillig mitgegangen und beinahe mit Gewalt in das Auto gezogen worden. Als der Wagen an ihm vorbeifuhr, zog der Mann die Gardinen vor, und der Gepäckträger ist ganz sicher, daß Angela sich gegen ihren Entführer wehrte.«
»Das war der ältere Mann?« fragte Manfred.
Lord Geydrew nickte.
»Mr. Manfred« - seine Stimme klang jammervoll -, »ich bin kein reicher Mann, und vielleicht wäre es besser, die ganze Angelegenheit der Polizei zu übergeben. Aber ich habe ein solches Vertrauen in Ihren Scharfsinn und Ihre Klugheit - ich glaube, der Scheck da ist richtig -, und ich möchte Ihre Hilfe trotz Ihrer unerhörten Honorarforderungen in Anspruch nehmen. Angela ist meine einzige Tochter ...« Seine Stimme brach.
»Hat der Gepäckträger die Nummer des Autos gesehen?«
Lord Geydrew schüttelte den Kopf.
»Leider nicht, und natürlich möchte ich gern, daß die Sache nicht an die Öffentlichkeit kommt ...«
»Ich fürchte, da läßt sich nichts machen«, versetzte Manfred, nahm eine Zeitung auf und wies auf einen kurzen Artikel in den »Letzten Nachrichten«.
Entführung einer Braut am Hochzeitstag Es wird uns berichtet, daß heute nachmittag auf dem Waterloo-Bahnhof
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