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Das silberne Dreieck

Das silberne Dreieck

Titel: Das silberne Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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dann kann sie ja hören, wie ihre Briefe vor aller Öffentlichkeit im Gerichtssaal vorgelesen werden. Ich erspare Ihnen und auch Gwenda viele Umstände. Verlobt ist sie? Sind Sie vielleicht der glückliche Bräutigam?« fügte er höhnisch hinzu.
    »Wenn ich es wäre, würde ich Ihnen den Hals umdrehen«, sagte Leon ruhig. »Wenn Sie aber vernünftig sind ...«
    »Bin ich nicht«, fuhr ihn der andere an. »Glauben Sie denn, ich würde in einem solchen Schweinestall hausen« - er machte eine bezeichnende Handbewegung - »wenn ich vernünftig wäre? Ich ... Mediziner mit Doktortitel?«
    Und in plötzlich aufflammender Wut stieß er seinen Besucher zur Tür hinaus.
    »Machen Sie, daß Sie rauskommen ... Lassen Sie mich ungeschoren!«
    Leon war durch diesen unvermuteten Angriff so überrascht, daß er hörte, wie die Tür verschlossen und verriegelt wurde, bevor er sich klarmachte, was eigentlich vorgegangen war.
    Das ganze Auftreten des Mannes gab ihm die Überzeugung, daß die Briefe sich im Zimmer befanden, und dort gab es mehr als ein Dutzend Plätze, wo sie versteckt sein konnten. Mit größter Leichtigkeit hätte er ja diesen degenerierten Menschen überwältigen und das Zimmer in aller Ruhe durchsuchen können, aber die ›Drei Gerechten‹ waren eben Menschen geworden, die sich genau nach den Buchstaben des Gesetzes richteten.
    Und so kam er am Abend nach Hause und berichtete seinen teilweisen Mißerfolg.
    »Wenn er gelegentlich das Haus verließe, wäre die Sache höchst einfach - aber er geht ja niemals aus. Ich glaube, Raymond und ich könnten ohne die geringste Mühe seine Wohnung durchsuchen. Letheritt bekommt jeden Morgen eine Flasche Milch vor die Tür gestellt, und es kann doch nicht schwierig sein, ihm ein Schlafmittel beizubringen, wenn wir kurz nach dem Milchmann ins Haus gehen.«
    Manfred schüttelte den Kopf.
    »Da mußt du schon einen anderen Ausweg suchen; es hat keinen Wert, sich mit der Polizei zu veruneinigen.«
    »Das ist noch sehr vorsichtig ausgedrückt«, murmelte Poiccart. »Wer ist denn die junge Dame?«
    Beinahe Wort für Wort wiederholte Leon die Unterhaltung, die er mit Miss Brown gehabt hatte.
    »Es gibt verschiedene bemerkenswerte Angaben in ihrer Erzählung, die ich für unbedingt wahr halte. Ich bin überzeugt, daß sie mich nicht täuschen wollte«, sagte Leon, »Nummer 1: Am letzten Weihnachtsfeiertag hörte sie den Mann in der Kirche singen. Gehört eurer Ansicht nach Mr. Letheritt zu jenen Leuten, die ihre musikalischen Gaben in Weihnachtsgesängen und in der Kirche zum besten geben? Meine kurze Bekanntschaft mit dem würdigen Herrn gibt mir die Berechtigung, diese Frage rundweg zu verneinen. Nummer 2 und 3: Sehr merkwürdig waren ihre Worte ›er war nicht bei uns eingeladen‹ oder so ähnlich, und ›er war beinahe am Ende.‹ Am Ende, ja, von was? Diese drei Punkte erscheinen mir sehr beachtenswert.«
    »Aber wieso denn?« warf Poiccart ein. »Warum sollte er denn nicht von irgendeiner Familie für die Feiertage eingeladen sein? Sie wußte nicht, daß er sich in der Nachbarschaft aufhielt und bemerkte ihn erst in der Kirche.«
    Leon schüttelte den Kopf.
    »Letheritt ist Jahr für Jahr mehr heruntergekommen. Seinen jetzigen Zustand kann er unmöglich erst Weihnachten erreicht haben; so verkommen wie heute - oder beinahe ebenso - muß er schon vor neun Monaten gewesen sein. Der Mann hat mir einen direkten Widerwillen eingeflößt - ich muß die Briefe bekommen, ganz gleich wie.«
    Manfred sah ihn nachdenklich an.
    »Die Briefe dürften sich kaum auf seiner Bank befinden, denn er macht mir nicht den Eindruck, als ob er überhaupt mit einer Bank zu tun hätte; ebensowenig bei seinen Anwälten, denn ich bin überzeugt, daß er zu jener Klasse Menschen gehört, deren Bekanntschaft mit Rechtsanwälten im Gerichtssaal beginnt und endigt. Ich glaube, du hast recht, Leon: Die Briefe sind in seinem Zimmer.«
    Leon verlor keine Zeit. Schon am nächsten Morgen war er in aller Frühe in der Whitechurch Street und sah den Milchmann in das Haus hineingehen. Kaum war er wieder herausgekommen, als Leon die Treppe hinaufflog; aber so sehr er sich auch beeilte, war er doch nicht schnell genug. Als er den obersten Stock erreichte, hatte Letheritt die Milch schon hereingenommen, und das kleine Fläschchen mit farbloser Flüssigkeit in Leons Tasche blieb unbenutzt.
    Am nächsten Morgen versuchte er von neuem sein Glück; wieder vergeblich.
    In der vierten Nacht, zwischen ein und zwei Uhr morgens,

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