Das silberne Dreieck
sagen darf.
In seinem berühmten Artikel »Sind wir berechtigt ...?«, der den Absatz eines Magazins um einige 1000 Exemplare erhöhte, schrieb er folgendes:
... und für den Gewohnheitserpresser gibt es meiner Ansicht nach nur eine einzige Strafe: den Tod. Mit dem Verbrecher, der sich Erpressung als Spezialfach gewählt hat, ist jede Verhandlung unmöglich. Es gibt bei einem solchen Menschen kein einziges Gefühl, an das man appellieren könnte; es gibt keine Möglichkeit, ihn zu beeinflussen. Er hat sich außerhalb der menschlichen Gesellschaft gestellt und kann in die Klasse der Giftmörder und Engelmacher eingereiht werden.
Leon fand ja weniger drastische Mittel, mit denen er die ihm so verhaßten Erpresser bekämpfte, und doch können wir annehmen, daß die Weise, in der der Fall Miss Browns erledigt wurde, seinen größten Beifall gefunden hat.
Es gibt so ungeheuer viele Typen von Frauenschönheit, daß sogar Leon Gonsalez, der eine Leidenschaft für Klassifikation hatte, nach der achtzehnten Unterabteilung der dreiunddreißigsten Kategorie von Brünetten diese mühsame Arbeit aufgab; zu diesem Zeitpunkt hatte er schon zwei dicke Schreibhefte mit seinen Beobachtungen gefüllt.
Wenn ihm diese Arbeit nicht schon vorher zuviel geworden wäre, hätte er sicherlich ihre Aussichtslosigkeit erkennen müssen, als er Miss Browns Bekanntschaft machte. Dies junge Mädchen ließ sich in keiner seiner Kategorien unterbringen und hatte auch keine der besonderen Vorzüge, für die er seine verschiedenen Unterabteilungen eingerichtet hatte. Sie war dunkel, schlank und elegant. Leon haßte dies Wort, war aber gezwungen zuzugeben, daß es das einzig passende war. Sie erinnerte an eine zarte Blume, und Leon sprach von ihr als dem ›Lavendel-Mädel‹. Sie selbst hatte sich unter dem Namen ›Brown‹ eingeführt, der sicherlich nicht der richtige war.
Den Zeitpunkt ihres Besuches hatte sie gut gewählt: die Dämmerstunde, in der man es nach einer guten Mahlzeit vorzieht, nachzudenken anstatt zu sprechen, oder noch besser - ein wenig mit einer Zigarette im Mund zu träumen.
Auch andere waren schon zu dieser Zeit in das kleine Haus in der Curzon Street gekommen, wo das silberne Dreieck über der Tür den Wohnsitz der ›Drei Gerechten‹ bezeichnete.
Es läutete, und George Manfred sah auf. »Sieh doch mal nach, Raymond, wer das ist. Bevor du aber öffnest, will ich dir sagen, wen du zu sehen bekommst: eine junge Dame in Schwarz, graziöse Haltung, sehr nervös, die sich großen Schwierigkeiten gegenübersieht.«
Leon grinste, als Poiccart bedächtig aufstand und nach der Tür ging.
»Mehr Hellsehen als Überlegung, und mehr Beobachtung als irgend etwas anderes. Von deinem Platz aus kannst du sehr gut die Straße überblicken ... Warum also unseren Freund zum Narren halten?«
George Manfred blies kunstgerecht einen Rauchring nach der Decke.
»Er ist nicht zum Narren gehalten, denn er hat sie genauso gut gesehen wie ich. Wenn du nicht so sehr in deine Zeitung vertieft wärest, hättest du die junge Dame auch bemerken müssen. Sie ist schon dreimal die Straße auf der gegenüberliegenden Seite auf und ab gegangen und hat jedesmal nach unserer Tür herübergeblickt. Das ist für mich ein sehr charakteristisches Anzeichen, und ich möchte wissen, unter welcher Abart von Erpressung sie zu leiden hat.«
Raymond Poiccart kam zurück.
»Sie möchte einen von uns sprechen; sie sagt, ihr Name wäre Brown - sieht aber nicht so aus.«
Manfred nickte Leon zu.
»Sprich du mit ihr.«
Gonsalez ging nach dem kleinen Vordersalon und fand das junge Mädchen mit dem Rücken gegen das Fenster gelehnt. Ihr Gesicht lag völlig im Schatten.
»Es wäre mir sehr lieb, wenn Sie kein Licht einschalten würden«, ihre Stimme klang ruhig und gleichmäßig. »Ich möchte nicht erkannt werden, falls wir uns wieder treffen sollten.«
Leon lächelte.
»Ich hatte gar nicht die Absicht, Licht zu machen«, begann er.
»Sehen Sie, Miss ...«, er unterbrach sich.
»Brown«, fügte sie kurz und so entschieden hinzu, daß er wußte, sie wollte unbekannt bleiben, auch wenn sie das nicht schon vorher in der Beleuchtungsfrage zu erkennen gegeben hätte. »Ich hatte Ihrem Freund bereits meinen Namen gesagt.« »Sehen Sie, Miss Brown«, fuhr er fort, »wir haben sehr viele Besucher, denen es ganz besonders darauf ankommt, bei einem späteren Zusammentreffen nicht wiedererkannt zu werden. Wollen Sie nicht Platz nehmen? Ich weiß allerdings, Sie haben
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