Das silberne Dreieck
zögerte.
»Ich halte es für besser, ihr zu sagen, daß Sie hier sind. Darf ich um Ihren Namen bitten?«
»Und ich halte es für besser, sie zu sehen, ohne angemeldet zu werden. Machen Sie sich keine Sorgen, und zeigen Sie mir ihr Zimmer.«
Elsie Farrer war, wie er erfuhr, in ihrem Wohnzimmer. Leon klopfte leise, und eine ängstliche Stimme fragte:
»Wer ist da?«
Er antwortete nicht, öffnete die Tür und trat in den Raum. Das junge Mädchen stand am Fenster; allem Anschein nach hatte das Taxi, mit dem Leon gekommen war, ihre Aufmerksamkeit und Sorge geweckt.
»Oh!« sagte sie verzweifelt, als sie ihren Besucher erkannte. »Sie sind doch der Herr von heute nacht ... Sie wollen mich doch nicht verhaften?«
Der Fußboden war mit Zeitungen bedeckt - augenscheinlich hatte sie sich alle Morgenausgaben besorgen lassen, um nach Berichten über das Verbrechen zu suchen.
»Nein, nein, ich denke gar nicht daran, Sie zu verhaften«, sagte Leon beruhigend. »Ich wüßte nicht einmal, warum, denn - Mr. Grasleigh ist munter wie ein Fisch im Wasser ... nicht einmal verletzt!«
Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn ungläubig an.
»Nicht verletzt?« wiederholte sie langsam.
»Er war in bester Verfassung, als ich heute nacht mit ihm sprach.«
Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen.
»Das verstehe ich nicht - ich habe ihn doch gesehen ... Oh, es war schrecklich!«
»Sie sahen ihn und glaubten, er wäre schwer verletzt, aber wenige Minuten später hatte ich das Vergnügen, mit ihm zu sprechen, und fand ihn gesund und munter; aber er behauptete, und das ist mir viel wichtiger« - Leon beobachtete sie scharf -, »daß er Sie überhaupt nicht gesehen hätte.«
Erstaunen, Unglauben und langsam auftauchendes Grauen waren in ihren Augen zu lesen.
»Wollen wir nicht einmal ganz ruhig miteinander sprechen, Miss Farrer? Setzen Sie sich doch, bitte, und geben Sie mir einen Einblick in Ihr früheres Leben. Verschiedenes ist mir ja schon bekannt - zum Beispiel, daß Ihr Vater in einer Nervenheilanstalt gestorben ist.«
Sie starrte ihn an, als ob es ihr unmöglich wäre, den Sinn seiner Worte zu erfassen. Leon ging geradewegs auf sein Ziel los.
»Wie kam es, Miss Farrer, daß Ihr Vater geisteskrank wurde? Gab es einen solchen Fall schon früher in Ihrer Familie?«
Leons kühle Ruhe verfehlte ihren Eindruck nicht. Miss Farrer bemühte sich, ihre Selbstbeherrschung wiederzufinden.
»Nein, die Veranlassung zur Krankheit meines Vaters war ein Sturz vom Pferd, aber die Folgen machten sich erst einige Jahre später bemerkbar.«
Er nickte lächelnd.
»Das habe ich mir beinahe gedacht. Wo waren Sie denn, als Ihr Vater in die Anstalt gebracht wurde?«
»In Melbourne, in der Schule«, antwortete sie, »oder vielmehr ganz in der Nähe von Melbourne. Ich war sieben Jahre alt, als ich meinen Vater zum letztenmal sah. Er war viele Jahre hindurch in der schrecklichen Anstalt, und man erlaubte mir nicht, ihn zu besuchen.«
»Noch eins, Miss Farrer: Wer ist Mr. Plane? Kennen Sie ihn?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Er ist ein Vetter meines Vaters. Ich weiß nur, daß Vater ihm häufig Geld lieh und daß er auf der Farm war, als mein Vater krank wurde. Er schrieb mir einige Male, und alle seine Schreiben handelten von Geld. Er hatte meine Reise nach England bezahlt, und er war es auch gewesen, der mir den Rat dazu gegeben hatte. Ich sollte versuchen, in England all den Kummer und die Sorgen zu vergessen, die ich durchgemacht hatte.«
»Aber persönlich sind Sie nie mit ihm zusammengekommen?« »Niemals«, war ihre Antwort. »Er besuchte mich einmal in der Schule, aber ich war gerade mit meiner Klasse auf einem Ausflug.«
»Sie wissen nicht, was Ihr Vater hinterlassen hat?«
Sie schüttelte wieder den Kopf.
»Nein, ich habe keine Ahnung.«
»Und jetzt, Miss Farrer, erzählen Sie mir bitte von dem Neger und dem Hund, die Ihnen gefolgt sind.«
Außer den reinen Tatsachen konnte sie auch nichts weiter berichten. Die Verfolgungen hatten vor zwei Jahren begonnen und sie so angegriffen, daß eines Tages ein Arzt bei ihr vorsprach, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Hier unterbrach sie Leon schnell.
»Hatten Sie den Arzt rufen lassen?«
»Nein«, war ihre überraschte Antwort. »Jemand anders muß mit ihm von mir gesprochen haben, obgleich ich mir nicht denken kann, wer das sein könnte, denn ich habe nur sehr wenige Bekannte.«
»Können Sie mir einige der Briefe zeigen, die Sie von Mr. Plane erhalten haben?«
Sie
Weitere Kostenlose Bücher