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Das silberne Schiff - [Roman]

Das silberne Schiff - [Roman]

Titel: Das silberne Schiff - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Atemzüge.
    Ich blickte auf die Dunkelheit hinter meinen Augenlidern und konzentrierte mich auf die Bewegungen meines Bauches – ein und aus, ein und aus.
    Vier Atemzüge.
    Würde er mich mögen?
    Fünf.
    Alicia drückte plötzlich meine Hand. Ich öffnete die Augen. Hundert Schritte entfernt kam mein Vater auf uns zu. Ich erschauderte und wurde gleichzeitig von Hoffnung, Furcht und Vorfreude durchströmt. Er lief genauso wie ich, genauso wie Chelo, mit gleichmäßigen und geschmeidigen Schritten, den Kopf erhoben, den Blick auf Jenna gerichtet. Sein dunkles Haar war kurz geschnitten, und er trug eine Fluguniform – ein blau-goldener Pilotenmantel hing aufgeknöpft über einer Hose im gleichen Blau und einem einfachen weißgrauen Hemd.
    Er bemerkte, dass ich ihn beobachtete, wie es alle Menschen sofort spüren, wenn sie aufmerksam gemustert werden. Er sah mich kurz an und kniff die Augen zusammen, bevor er sich wieder Jenna zuwandte. Er schien mich nicht zu erkennen. Ich war an der Bank festgeklebt, unfähig, mich zu bewegen, unfähig, etwas zu sagen, vorübergehend vom Wirklichkeitsschock überwältigt.
    Jetzt war er nahe genug, um seine rauchblauen Augen erkennen zu können. Er lächelte zufrieden über den Anblick der Frau, die er kannte, reagierte aber gleichzeitig mit Verwirrung. »Jenna«, sagte er, »du siehst … phantastisch aus!«
    Er musterte uns drei, als würde er überlegen, ob er es sich erlauben konnte, in unserer Gegenwart offen zu reden. Dann kehrte sein Blick zu Jenna zurück. Seine Haltung drückte Vorsicht aus – hütete er sich vor uns oder vor jemand anderem?
    Ich erinnerte mich, wie Tiala und Jenna aufeinander zugerannt waren, an die heftigen Gefühle ihrer Begegnung. Im Gegensatz dazu wirkten Jenna und mein Vater wie zwei Tatzenkatzen, die sich außerhalb ihres Reviers begegneten und sich abschätzten. Die Stimme meines Vaters klang etwas tiefer als auf dem Datenspeicher mit seinem Tagebuch. Ich trug ihn immer noch wie einen Talisman in meiner Tasche mit mir herum. »Wie bist du hierher- gekommen?«, fragte er Jenna. »Und wann?«
    Jenna lächelte. »Ich bin erst seit ein paar Monaten hier.« Sie musterte ihn genau, dann blickte sie zu mir, und in ihren Augen stand eine deutliche Warnung. Sie schien hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, mit ihm fortzugehen und zu reden, und der Notwendigkeit, uns einander vorzustellen.
    Meine Zunge klebte fest am Gaumen und meine Augen an meinem Vater, während ich alle Einzelheiten in mich aufnahm, wie sein Haar über den Ohren geschnitten war, wie er dastand, die Füße zusammen und ein wenig steif, wie gut ihm der Pilotenmantel passte, während meiner immer noch an den Schultern viel zu breit war.
    Alicias Hand hielt meine weiterhin fest umklammert. Sie wusste, was es für mich bedeutete, ihn wiederzusehen. Bryan ebenfalls. Er stand reglos hinter uns, eine Hand auf die Rückenlehne der Bank gelegt, die andere auf meiner Schulter.
    Mein Vater wirkte aufgeregt und besorgt, als er Jenna betrachtete. »Ich habe gute Neuigkeiten für dich.«
    Sie neigte den Kopf und wartete.
    Er blickte zu uns herüber. »Können wir reden?«, fragte er. »Oder gehören diese Leute zu dir?«
    »Sie sind von Fremont.«
    Er runzelte die Stirn, als er uns musterte. Die Verwirrung in seinen Augen breitete sich über sein ganzes Gesicht aus, und eine Spur von Unsicherheit flackerte in seinem Blick. Für einen winzigen Moment wirkte er verängstigt.
    »Erinnerst du dich an die Kinder?«, fuhr Jenna fort. »Drei von ihnen sind mit mir zurückgekehrt.«
    Er riss die Augen auf, und nun schien er uns zum ersten Mal wirklich wahrzunehmen. Wir saßen starr wie die Statuen im Park da und erwiderten seinen Blick. Die Zeit schien zu erstarren, bis ich Jenna sagen hörte: »Bryan steht hinter der Bank, und darauf sitzen Alicia und Joseph.«
    Als sie meinen Namen aussprach, löste sich meine Zunge. »Vater.«
    Er sah mich sehr lange an, und ich beobachtete, wie die Hoffnung in seiner Miene sich zuerst in Ungläubigkeit und dann in Erstaunen verwandelte. »Joseph?« Dann ging er in die Knie. Er berührte mich noch nicht, aber in diesem Moment entstand zwischen uns etwas Geheimnisvolles, ein tiefes Wissen.
    Schließlich stand ich auf, er ebenfalls, und dann umarmten wir uns. Ich spürte, wie ich von den Armen meines Vaters gehalten wurde. Sein Brustkorb hob und senkte sich, seine Wange lag an meiner. Er nahm einen tiefen schluchzenden Atemzug. »Du lebst. Du bist wirklich am Leben.« Sein

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