Das silberne Schiff - [Roman]
meine Richtung. Seine Augen verfinsterten sich, als eine bestimmte Gefühlsregung alle anderen überwog. Tiefe Trauer breitete sich auf seinem Gesicht aus, griff auf den restlichen Körper über, ließ seine Schultern herabsinken. Er sah Jenna an. »Mein Gott, Jenna. Wir haben jahrelang dafür gearbeitet, Fremont zurückzubekommen. Wir haben sogar unsere Schiffe verpfändet und gespart. Wir haben gehungert, um genügend Krediteinheiten zusammenzubekommen. Wir drei.« Er wandte den Blick ab. »Alle anderen haben uns im Stich gelassen. Aber drei waren genug, um im Namen der Familie Verträge abzuschließen, nachdem so viele Leute nach unserer Rückkehr ausgestiegen sind.«
Jennas Stimme klang tonlos und kalt. »Wie wolltet ihr Fremont zurückbekommen?«
Er hob eine Hand, um uns zum Schweigen zu bringen. Zwei Flieger gingen vorbei, die ersten, die ich im Park sah. Ihre Gesichter hatten nicht den schönen Ausdruck der Statue. Sie schienen leichte Schmerzen zu haben und gingen gebeugt, um das Gewicht ihrer Flügel zu tragen. Bestimmt fühlten sie sich anders, wenn sie flogen, und verloren den gequälten Blick und die Schwerfälligkeit. Ich konnte es mir nicht richtig vorstellen, aber ich wollte es. Vielleicht war Alicia dazu imstande. Sie beobachtete die beiden mit einem sehnsüchtigen Ausdruck. Ihr Blick glitt an den übergroßen Flügeln auf und ab und nahm die goldenen Bänder in sich auf, die ihre Schwingen zierten. Kleine silbrige Glöckchen klingelten an den Bändern, mehr wegen der Auf-und-Ab-Bewegung als von der leichten Brise.
Nachdem sie außer Hörweite waren, legte mein Vater die Hände in den Schoß. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Er wirkte … schuldbewusst. »Keine einzige Familie kehrte vollständig zurück. Keine einzige. Sie haben uns alles genommen. Und die größere Familie – die Familie der Erkunder – fiel nach der Rückkehr auseinander.«
»Ich weiß«, sagte Jenna. »Ich habe versucht, sie wieder zusammenzubringen.«
»Wir waren wütend«, sagte er.
Jenna lachte verbittert. »Das verstehe ich. Von allen Beteiligten verstehe ich es am besten.«
Wahrscheinlich hatte sie recht. Sie selbst hatte Fremont nur knapp überlebt. Auch sie hatte ihre Familie verloren, soweit ich wusste.
Mein Vater plapperte fast wie Kayleen. »Sie haben Marissa getötet, und sie haben dich getötet, Joseph. Und Chelo. Ich war fest davon überzeugt. Sie haben uns alles genommen, was wir liebten. Wir …« Er sah Jenna an. »Wir haben Sternensöldner angeheuert.«
Das verstand ich nicht. »Sternensöldner?«
Jenna riss die Augen auf, die dunkel wie Kohle wurden. Sie stand auf und spuckte die Antwort geradezu aus. »Bezahlte Soldaten. Mit Sternensöldnern führt die Autokratie von Islas ihre Kriege, wenn sie nicht möchte, dass irgendjemand weiß, was sie tut. Sie werden den Kampf nach Fremont tragen.«
Dort war Chelo.
Wie konnten die Söldner wissen, dass sie gerettet werden sollte? Und was war mit Akashi und Paloma, mit Liam und Kayleen? Mit Nava? Nicht einmal den Menschen, die mich hassten, wünschte ich den Tod. In der anhaltenden Stille hörte ich Chelos Stimme im Kopf: Dieser verfluchte Krieg bestimmt das Leben von uns allen, Joseph. Obwohl wir gar nicht mitgekämpft haben, hätte er uns beinahe getötet. In meinem ganzen Leben werde ich mich niemals an einem Krieg beteiligen!
»Chelo«, sagte ich leise und starrte meinen Vater fassungslos an. Wie hatte er so etwas tun können? »Sind sie schon dort?«
Er vergrub wieder das Gesicht in den Händen. Vielleicht konnte er es nicht ertragen, mir zu erklären, dass er vielleicht meine Schwester getötet hatte. Seine Tochter. Vielleicht konnte er sich selbst nicht mehr ertragen. Keine Verbitterung rechtfertigte eine so gravierende Maßnahme. Hinter den Händen schüttelte er den Kopf und schien nicht mehr in der Lage zu sein, mich anzusehen. »Noch nicht. Wir sind … wir haben den Vertrag letzten Monat unterzeichnet. Auf Islas. Wenn ich nur gewusst hätte, dass ihr hier seid!«
Bryan meldete sich hinter mir zu Wort. Seine Stimme klang älter als sonst. Auch er liebte Chelo. »Wann werden sie dort eintreffen?«
Mein Vater blickte auf. Zweiffellos hatte er die Kälte in Bryans Worten gehört, die fast an Hass grenzte. »Ich weiß es nicht. Sie sind nicht sofort aufgebrochen, aber inzwischen dürften sie unterwegs sein. Es dauert ein paar Jahre, bis sie dort sind. Sie sollen mir eine Nachricht schicken, wenn der Auftrag erfüllt ist.«
Jennas Augen
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