Das silberne Schiff - [Roman]
waren zu Eis geworden. Sie sprach langsam, als wollte sie sicherstellen, dass er jedes einzelne Wort verstand. »Wenn sie was genau getan haben?«
Er sah mich an, als er antwortete, mit geplagten und finsteren Augen, in denen das Blau kaum noch zu erkennen war. Seine Stimme war ein heiseres Flüstern. »Wenn sie jeden Bewohner von Fremont getötet haben.«
Kapitel 24
Vorbereitung
Die Worte meines Vaters hallten in mir nach. Wenn sie jeden Bewohner von Fremont getötet haben.
Chelo.
Und viele hundert andere. Ich würde selbst um Nava und Hunter trauern. Jeder Name, jedes Gesicht war wie ein Stein, der sich in meinem Bauch ansammelte.
Wie konnte er so etwas tun?
Alicia sprang auf und starrte ihn an, das Gesicht wütend verzerrt. »Das hast du nicht getan! Niemand kann so eiskalt sein! Deine Tochter lebt dort!«
Er lehnte sich zurück, als wollte er in der steinernen Bank versinken.
Alicia und ich empfanden den gleichen Zorn. Vor allem sie hatte gute Gründe, einigen Leuten auf Fremont den Tod zu wünschen. Aber wir waren keine Killer. Die Wut spannte ihre Züge an und brachte ihre wilde Schönheit zur Geltung. Ich rechnete damit, dass sie ihn anschrie, aber es war Jenna, die zuerst sprach, mit strenger, aber beherrschter Stimme. »David.«
Er schluchzte, und seine Worte kamen abgehackt. »Ich habe es für Marissa getan. Und für die Kinder.« Er hob den Kopf und sah mich an. Seine Augen waren so voller Schmerz, dass er mir beinahe leidtat. Ich biss mir auf die Lippe und wappnete mich gegen seine Zerknirschung, als fortfuhr. »Es tut mir leid. Ich dachte, sie hätten alle getötet.«
Jennas Stimme klang steinern. Aber sie konnte seine Augen nicht sehen, weil er in meine Richtung blickte. »Wir starben, Marissa starb, so viele von uns starben, weil wir nicht an einen Genozid glaubten.«
»Ich … ich weiß«, sagte er mit gebrochener Stimme. »Ich weiß.« Er stützte den Kopf wieder auf die Hände, ohne mich anzusehen. Hatte er Angst, mich anzusehen?
Wir schwiegen. Mein Vater verbarg sich feige hinter seinen Händen. Jennas Augen schien tief nach innen zu blicken. Alicia stand immer noch mit geballten Fäusten da. Bryan war hinter mir, aber seine Abscheu war so intensiv, dass ich sie körperlich spürte. Und ich? Ich konnte nicht sagen, welchen Eindruck ich machte. Meine Träume von einem liebevollen, starken Vater waren zu Scherben zerschlagen worden.
Ich fand als Erster die Sprache wieder. »Kannst du sie noch zurückrufen?«
Er schüttelte den Kopf. »Die dürften kaum noch zu erreichen sein. Außerdem würde es etwas kosten. Ich habe zehn Jahre gebraucht, um genug Geld für den Auftrag zu sparen. Die Gebühr für einen Widerruf wäre noch einmal die Hälfte des Preises.«
»Wie viel hat es gekostet, ein gesamtes Volk töten zu lassen?«, fragte ich mit zitternder Stimme.
Er zuckte zusammen, als hätte meine Frage ihm einen Stich versetzt. Die Worte schienen in seinem Mund festzusitzen, bis er fast daran erstickte. Schließlich bekam er sie heraus: »Einhunderttausend Krediteinheiten.«
Jenna schnappte nach Luft. Bislang hatte Marcus für meine Ausbildung weniger als eintausend Einheiten bekommen, und Tiala hatte die Summe mit dem Preis für ein kleines Raumschiff verglichen. Also konnte man für einhundert kleine Schiffe über zweitausend Menschen auslöschen.
»Das heißt, wir brauchen fünfzigtausend Krediteinheiten, um meine Schwester zu retten?« Ich wollte sichergehen, dass ich es richtig verstanden hatte.
»Das ist ein Vermögen«, flüsterte Jenna.
»Es bleibt nicht genug Zeit, es aufzutreiben«, sagte Bryan und sah meinen Vater an. »Sofern du keine brillante Idee hast.«
Mein Vater schüttelte den Kopf, aber er setzte sich etwas aufrechter und machte nicht mehr den Eindruck, als wollte er in der Bank versinken.
Bryan sprach nur sehr selten, aber wenn er es tat, hörte jeder zu.
»Bryan hat recht«, sagte ich. »Also müssen wir dort sein, bevor die Söldner ankommen.«
Jennas Blick strahlte Zustimmung aus.
Ich blickte meinen Vater an. »Hast du ein Raumschiff?«
Er riss die Augen auf. »Nein.«
Alicias Fingernägel gruben sich schmerzhaft in meine Schulter.
Ich drehte mich um und sah ihr in die Augen. Sie blinzelte vor Wut, aber dann nahm sie einen tiefen, zitternden Atemzug und wurde ruhig. Ihre Stimme klang sanft. »Ich hatte einmal einen Traum, in dem ich Fremont verließ, aber dann erkannte, dass ich etwas zurückgelassen hatte, das ich holen musste. Ich hatte Chelo von
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