Das silberne Schiff - [Roman]

lebensfähigen Flieger erschuf. Die Erschaffung von Fliegern gab unserem Ruf als beste Gentechniker der Fünf Welten einen enormen Aufschwung.«
    Ich erinnerte mich daran, wie Marcus die Erschaffung von Fliegern kritisiert hatte. Doch die Metallfrau vor uns strahlte vor Mystik und Magie. Sie war mindestens zehn Meter hoch und hatte lange, ausladende silberne Flügel, die ihr bis zu den Waden reichten. Ihre breiten Schultern verjüngten sich zu schmalen Hüften und langen, schlanken Beinen. Sie schien bereit zu sein, loszurennen und sich in die Lüfte zu emporzuschwingen, ein Metallfuß flach am Boden, die Ferse des anderen erhoben. Ihr kunstvoll ausgearbeiteter Gesichtsausdruck vermittelte erwartungsvolle Freude, und wenn ich sie ansah, fühlte ich mich von einer magischen Empfindung durchdrungen.
    »Erzähl mir von Lopali«, sagte ich. Es war eine der Fünf Welten, aber ich war im Isolationsraum gestört worden, bevor ich mehr darüber erfahren konnte.
    Jenna sprach zügig, ohne den Blick von der Statue abzuwenden. »Lopali hat die kleinste Bevölkerung der Fünf Welten. Eigentlich ist es ein terrageformter Mond, der als Ort angelegt wurde, an dem Menschen fliegen können. Die Planer gingen von unterstütztem Flug aus, aber Kuli Nam erkannte die Gelegenheit und erschuf Menschen, die tatsächlich fliegen können. Sie sind nicht fortpflanzungsfähig, und Lopali hat weder die Rechte noch die technischen Möglichkeiten, sie selber zu machen. Also produzieren wir neue Flieger für sie, die meisten aus dem Genpool von Lopali.«
    »Aber sie können keine eigenen Kinder bekommen?«, fragte ich nach.
    Jenna schüttelte den Kopf. »Die genetischen Anlagen für die Flugfähigkeit werden nicht vollständig vererbt. Das geht gar nicht, weil eine einmalige Nanokur nötig ist, um die Schultern aufzubauen und die anderen Knochen schrumpfen zu lassen.«
    Bryans Stirn legte sich in Falten. »Also werden alle Bewohner von Lopali auf Silberheim erschaffen?«
    Jenna lachte. »Nein. Es gibt dort Menschen, die sich fortpflanzen. Sie fliegen nur mit Unterstützung. Wir liefern etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Unsere Flieger genießen großes Ansehen auf Lopali, so dass die mächtigsten Bürger der Kolonie von uns stammen.«
    »Aber das hat wahrscheinlich nichts mit dem Krieg zu tun, den Marcus erwähnte, oder?«, fragte Bryan.
    Jenna zögerte. »Vielleicht doch. Aber das ist eine ganz andere Sache. Lopali steht bislang auf unserer Seite. Das Problem ist Islas.«
    Aus den Daten in der Universität hatte ich ein wenig über diese Welt erfahren. »Islas ist eine sehr beherrschte Gesellschaft.«
    Jenna nickte. »Also hast du doch ein paar Dinge von Marcus gelernt. Was weißt du noch?«
    »Ich weiß, dass Marcus sich wegen Islas Sorgen macht. Ich vermute, diesen Leuten gefällt es nicht, wie die Menschen hier leben.«
    »Sie glauben daran, dass man die Menschen nur von der Selbstvernichtung abhalten kann, wenn man sie strengen Regeln unterwirft.«
    »Finden die Menschen auf Islas das nicht furchtbar?«, fragte Alicia, die immer noch die Statue betrachtete.
    »Nein, ich glaube nicht«, antwortete Jenna. »Die Leute, die nicht damit einverstanden sind, wandern normalerweise zu einer der anderen vier Welten aus, die etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung stellen. Islas lässt sie gehen. Auf diese Weise muss man sich dort nicht mit so vielen problematischen Elementen in der Gesellschaft auseinandersetzen. Außerdem lassen sich gut Spione bei uns einschleusen.«
    »Wird nichts dagegen unternommen?«, fragte Bryan.
    Jenna schüttelte den Kopf. »Alle fünf Planeten einschließlich Islas halten sich an eine Vereinbarung, die freie Ein- und Auswanderung erlaubt. Außerdem haben wir hier keine allzu mächtige Exekutive. Die Raumhafenverwaltung ist noch die größte Polizeibehörde, da die gesetzlichen Bestimmungen über den Import und Export universell sind. Die Regeln, die das Verhalten auf einem Planeten bestimmen, variieren je nach Affinitätsgruppe oder von Stadt zu Stadt, die jeweils eine eigene Polizei haben. Die gegenwärtig gültigen Gesetze und Strafen sind ständig im Netz abrufbereit.«
    Alicia ging um die Statue herum und betrachtete sie von allen Seiten. »Erzähl uns mehr über die Flieger.«
    »Das Ökosystem von Lopali ist das einzige der Fünf Welten, das sich hier nicht mühelos reproduzieren lässt. Die Flieger sammeln sich auf Silberheim in kontrollierten Mikroklimata, die die Verhältnisse auf Lopali nachahmen – wie unter den