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Das silberne Schiff - [Roman]

Das silberne Schiff - [Roman]

Titel: Das silberne Schiff - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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bevor uns lange, bunt bemalte Stöcke unter die Füße geschoben wurden, horizontal und knapp über dem Boden. Die herumwirbelnden Stöcke zwangen uns zu präzisen und höheren Sprüngen. Die Menge bewegte die Stöcke vor und zurück und reichte sie von Hand zu Hand weiter. Alle Zuschauer waren Vagabunden, hauptsächlich aus unserer Sippe, Freunde und ein paar Skeptiker aus der Ostsippe, außerdem zwei Punktrichter.
    Weitere Tänzer gingen zu Boden und rollten sich weg.
    Weitere Stöcke. Die Ostsippe hatte zuerst getanzt. Sie waren auf fünf Stöcke gekommen, und wir waren schon bei über zehn. Der Spaß am Wettstreit entlockte mir ein Grinsen. Es war der Sieg der Sippe, weil auch normale Vagabunden mit uns tanzten, als wir den Rekord der Ostsippe übertrafen. Niemand konnte Liam und mir die Schuld an unserer Überlegenheit geben. Es spielte keine Rolle mehr, dass wir schneller und kräftiger waren.
    Aus dem Wettkampf wurde eine Vorführung.
    Ein paar Mitglieder der Ostsippe verließen den Kreis, aber nicht alle. Nur diejenigen, die uns hassten, weil wir anders waren.
    Noch drei waren von uns übrig, dann zwei. Liam und ich. Wir sprangen und warfen die Beine hoch, zuerst nahe beieinander, dann etwas weiter entfernt. Wir tanzten eher für uns als für die anderen. Fünfzehn Stöcke, und wir kamen immer noch nicht ins Stolpern. Die Leute, die die Stöcke hielten, grinsten und hoben sie so hoch empor, dass mein Rock bis über die Knie flog. Die Trommler riefen nach Ablösung. Die Sänger riefen unsere Namen: »Liam! Chelo! Liam! Chelo!«
    Liam warf den Kopf zurück und lachte, und ich tat es ihm nach. Ich kicherte und war so außer Atem, dass mir das Lachen Bauchschmerzen bereitete. Trotzdem war unser Lachen der Ausdruck der Freude darüber, dass wir uns so geschickt bewegten, der Freude am Erfolg, die Freude, zusammen und von Familienmitgliedern umgeben zu sein.
    Ich streckte die Arme aus und hielt die Handflächen nach unten. Doch er schüttelte den Kopf. Noch nicht!
    Sprung, Drehung.
    Er grinste mich an. Seine dunklen Augen strahlten vor Erschöpfung.
    Schwung, Tritt.
    Grinsende Gesichter. Kiara und Fluss und Himmel und Abyl.
    Ein hoher Hüpfer, Landung auf den Zehenspitzen, dann der nächste Sprung über zwei Stöcke. Jubel von allen Seiten. Ich griff nach Liam, um ihn zu halten und gemeinsam Hand in Hand zu springen. Dann setzten wir seitwärts über den Kreis der sitzenden Zuschauer hinweg, knapp über ihren Köpfen. Die Landung, die fast ein Sturz war. Danach standen wir wieder auf, schweißüberströmt und im Licht von zwanzig Fackeln glänzend.
    Lauter Jubel brach aus, in Anerkennung unserer Leistung und vielleicht auch vor Erleichterung, dass wir aufgehört hatten. Die Feier der Letzten Nacht der Frühlingsmarkttage war nun offiziell vorbei, und der Rest des Abends galt dem Wiedersehen mit alten Freunden.
    Ich ging kurz zu meinem Wagen, um mein Tanzkleid gegen Hosen und Hemd zu tauschen und mir leichte Ledersandalen über die Füße zu ziehen. Mein Zuhause war klein, aber es war meins – eine winzige Küche und ein Zimmer für alles andere, kaum länger, als ich groß war, und halb so breit. Leicht genug, um von einem einzigen Gebra gezogen werden zu können. Ich hatte das Innere hellblau gestrichen, mit Wolken und Vögeln und einem gelegentlichen Baumwipfel. Ein silbernes Raumschiff flog an der Decke. Das war für meinen Bruder, der im Himmel verschwunden war.
    Als ich für den Ausflug nach Artistos angekleidet war, hielt ich in der Tür kurz inne. Der Wagen, den Liam mit seinen Eltern Akashi und Mayah teilte, stand in der Nähe meines kleineren Zuhauses, als Zeichen der Zusammengehörigkeit unserer Familiengruppe. Beide waren mit Landkarten bemalt, was uns als Geografen auszeichnete. Licht drang aus dem Fenster von Akashis Wagen und fiel auf die Bilder. Meine Finger strichen zärtlich über die Farbe und folgten den leichten Graten, wo Berge und Seen die Landschaft hier auf Jini sprenkelten, dem größten der zwei Kontinente von Fremont. Ich hatte sie selbst an die Wände des Wagens gemalt, auch wenn ich mir damals gar nicht sicher gewesen war, ob ich mich damit in berufliche oder familiäre Beziehung zu Akashi setzte. Wie üblich schien Akashi meine Gefühle genau zu verstehen, auch die widersprüchlichen. Er hatte nur gelächelt und mir geholfen, die schwierigen Stellen richtig zu zeichnen, zum Beispiel die Zähne von Islandia.
    Ich schüttelte den Kopf und verdrängte die Erinnerung. Jetzt musste ich

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