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Das silberne Schiff - [Roman]

Das silberne Schiff - [Roman]

Titel: Das silberne Schiff - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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schlafen. Ich habe ihn heute sehr stark beansprucht.«
    Sie lachte. »Ich wette, du hast ihn jeden Tag mächtig beansprucht.«
    »Es war richtig von dir, ihn mir zu überlassen«, fuhr Marcus fort. »Ich wüsste sonst niemanden, der ihn ausbilden könnte. Er ist wirklich sehr stark.« Er warf mir einen Blick zu. »Und verdammt naiv. Aber er wird langsam erwachsen. Also gib gut auf ihn Acht.«
    Ich schnitt eine Grimasse und unterdrückte den Drang, ihm die Zunge herauszustrecken.
    Jenna musterte mich mit anerkennendem Blick. »Das werde ich tun.« Sie wandte sich wieder Marcus zu. »Vielen Dank. Du wurdest bezahlt. Ich möchte mehr darüber wissen, was er getan und gelernt hat, aber ich kann einen Tag lang auf ihn aufpassen.«
    Marcus beugte sich vor und küsste sie. Sie nahm den Kuss wie selbstverständlich an. Sie war schon jetzt zu einem ganz anderen Menschen geworden als die wilde Frau von Fremont. Marcus musterte sie mit mildem Blick. »Er ist wirklich bemerkenswert. Aber noch nicht vollständig ausgebildet. Ich möchte ihn wiederhaben, aber bis dahin kannst du ihm so viel wie möglich von unserer Welt zeigen. Wir haben uns die meiste Zeit in einem meiner Häuser versteckt. Sag mir, wo wir uns wiedertreffen.«
    »Außerhalb von Li gibt es einen Garten. Den Gedächtnisgarten. Dorthin wird David kommen. Könntest du morgen gegen Mittag da sein?«
    Er sah mich an. »Ich werde es versuchen. Viel Glück mit deinem Vater.«
    »Danke.« Damit meinte ich nicht nur seine Glückwünsche, sondern all das, was er für mich getan hatte. Als er mich lächelnd ansah, war ich mir sicher, dass er meine Botschaft verstanden hatte.
    Damit wandte er sich zum Gehen und teilte fast lautlos die Blätter. Seine Schritte verstummten, als er die Kuppel der Stille unter dem Baum verlassen hatte.

Kapitel 22
    Der Gedächtnisgarten

    Ich erwachte am nächsten Morgen, als Jennas Hand an meiner Schulter rüttelte. Ein Sonnenstrahl fiel durch das offene Fenster und erhellte ihre unglaublich vollkommenen Züge. Als sie in der Küche herumkramte und Col zubereitete, das wie Rotbeere roch, aber viel süßer schmeckte, kam sie mir wie jemand vor, den ich kaum kannte. Sie war hübsch, selbstsicher und entspannt. Doch der Blick ihrer beiden Augen blieb so wild und misstrauisch wie der Blick in ihrem einen Auge, als hätte die alte Jenna eine Höhle innerhalb der neuen bezogen.
    Jenna brachte uns alle zum Gedächtnisgarten. Sie flog einen Gleiter, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, eine einfache silbrige Maschine mit Platz für sechs Insassen. »Ich weiß nicht, wann genau er kommen wird«, sagte sie. »Dort gibt es ein paar interessante Dinge zu sehen. Wir werden zu Fuß gehen.« Sie blickte mich an. »Bleib abgeschirmt.«
    »Ich weiß«, murmelte ich leicht genervt von den ständigen Warnungen.
    Bryan sah genauso vollständig und frisch wie Jenna aus. Sein Humpeln war verschwunden. Er lief neben Jenna und plauderte mit ihr. Sie führten uns über einen schlichten Pfad, der von hohen dornigen Pflanzen mit Blüten in Rot, Rosa und Gelb gesäumt wurde.
    »Die Blüten in Marcus’ Garten sind sogar noch vollkommener«, sagte ich zu Alicia, die neben mir ging.
    Sie schnupperte an einer hellgelben Blüte, die so groß wie ihre Hand war. »Das hier ist besser als alles, was es auf Fremont gibt.«
    »Aber nicht einmal diese Blumen sind so hübsch wie wilde Dornglocken.«
    »Richtig«, sagte sie. »Aber ich wette, wenn man von diesen Blättern isst, wird einem nicht übel.« Sie betrachtete fasziniert die gelbe Blüte. »Ich möchte nie mehr von hier fortgehen.«
    Bryan schien ihre Worte gehört zu haben, denn er blickte sich über die Schulter um und sagte: »Wir müssen Chelo und die anderen holen.«
    »Trotzdem will ich nicht mehr zurück«, bekräftigte Alicia.
    »Ich würde mich wohler fühlen, wenn wir alle zusammenbleiben«, sagte ich. Auch mir war klar geworden, dass ich hierher gehörte. Ich musste eine Aufgabe übernehmen, ein Schicksal, das ich auf einer so rückständigen und misstrauischen Welt wie Fremont nicht erfüllen konnte. Ich wusste es einfach.
    Ich hielt ständig Ausschau nach meinem Vater, obwohl Jenna zweifellos von ihm hören würde, bevor wir ihn sahen. Würde ich ihn wiedererkennen? Was würde er von mir denken? Hatte er in der ganzen Zeit überhaupt an mich gedacht?
    Jenna hielt vor einer hohen Statue an, die eine Frau mit Flügeln darstellte. »Zeit für eine Lektion. Das ist ein Denkmal für Kuli Nam, die die ersten

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