Das silberne Schiff - [Roman]
Kuppeln, an denen wir an unserem ersten Tag auf Li vorbeigeflogen sind. Davon gibt es auf Silberheim nur vier. Lopali hat eine viel dichtere Atmosphäre und eine geringere Schwerkraft.«
»Und deshalb können Menschen dort fliegen?«, fragte Alicia.
»Und weil ihre Knochenstruktur radikal verändert wurde. Unter den hiesigen Lebensbedingungen sind Flieger schwach. Wir haben versucht, Menschen zu schaffen, die in unserer Atmosphäre fliegen können. Aber die Belastungen des Körpers sind zu hoch. Es wird immer wieder versucht, aber was dabei herauskommt, ist kaum noch als menschlich zu bezeichnen.« Sie blickte wieder zur Statue auf und kniff die Augen im hellen Sonnenschein leicht zusammen. »Aber als ich klein war, habe ich mir oft gewünscht, als Flieger geboren zu sein.«
»Also werden sie so geboren?«, fragte Alicia. »Das heißt, die Entscheidung wird getroffen, bevor man geboren wird?«
Jenna nickte. »Die Modifikation ist zu extrem, als dass sie sich an einem erwachsenen Körper durchführen ließe. Es wird versucht, aber die Hälfte der Leute, die es machen lassen, werden verrückt, und die andere Hälfte überlebt die Eingriffe nicht.«
Hier schien es viele Möglichkeiten zu geben, verrückt zu werden.
Alicias Stirn lag in tiefen Falten. Die Methoden, mit denen Flieger produziert wurden, schienen ihr genauso große Sorgen zu machen wie mir. »Ich würde gern fliegen.«
Jenna sah sie mit skeptischer Miene an. »Die Flugfähigkeit schränkt das Leben stark ein, zumindest hier. Und ich möchte nicht auf Lopali leben. Es ist eine schwierige Welt.« Sie drehte sich zu Alicia um. »Aber du könntest fliegen. Wir haben hier wunderbare mechanische Flügel und andere Fluggeräte. Vielleicht kann ich dich irgendwann mitnehmen.«
»Ich würde es sehr gern ausprobieren«, sagte Alicia begeistert.
Ich flüsterte ihr ins Ohr: »Die Gefahrensucherin bricht wieder durch. Flieg mit einem Gerät, aber versuch nicht, zu einer Fliegerin zu werden, ja?«
Zur Antwort streckte sie mir die Zunge heraus und lachte. »Nicht heute.«
»Wir haben andere Prioritäten«, sagte Jenna mit leichter Geistesabwesenheit.
Wir gingen weiter. Jenna bewahrte uns davor, irgendjemandem zu nahe zu kommen, indem sie größeren Menschenansammlungen wie zufällig auswich.
Wann würde sich mein Vater melden? Je mehr Zeit verging, desto nervöser wurde ich und desto schwerer fiel es mir, mich auf irgendetwas zu konzentrieren, selbst auf Alicia.
Der Park war der Geschichte von Silberheim gewidmet, oder genauer gesagt der Geschichte der Schöpfungen dieser Welt. In jeder Ecke, an jedem Pfad und in jedem Garten gab es irgendetwas Besonderes. Stellenweise hingen Skulpturen in unterschiedlichen Größen in Bäumen oder an gebogenen Metallstangen, um den Wind einzufangen und Lieder aus Luft und Metall zu singen. Winzige Flugmaschinen, die kleiner als mein Daumennagel waren, schwirrten lautlos umher, sammelten abgestorbene Blätter ein und schnitten das Gras, ohne die Gehwege zu kreuzen. Ich fragte mich müßig, ob sie auch des Nachts durch den Park schwärmten und alles in Ordnung hielten. Sie wären äußerst praktisch für die Pflege des Stadtparks von Artistos.
Wir hielten an mehreren miteinander verbundenen kreisförmigen Teichen an, in denen farbenfrohe Fische schwammen. Jenna legte kurz eine Hand ans Ohr und sah mich dann an. »Er kommt.«
Kapitel 23
Josephs Vater
Mein Vater kam.
Jenna nahm auf einer Bank Platz und schickte uns zu einer anderen Bank in der Nähe. Ich setzte mich neben Alicia, von wo ich einen guten Blick auf jeden hatte, der hier vorbeikam. Bryan stand wachsam hinter uns. Das Wasser in den Teichen sang rauschend. Eine der kleinen Windskulpturen seufzte und klingelte in der leichten Brise, die meine Wange kühlte. Ich hielt Alicias Hand und wartete.
Ein junger Mann kam auf uns zu – viel zu jung, um mein Vater sein zu können. Außerdem war er blond. Andererseits wurden die Menschen hier nicht alt, und alles ließ sich verändern. Ich stand erwartungsvoll auf, aber der Mann ging weiter. Dann kamen zwei Frauen, die sich an den Händen hielten und plauderten. So sehr hatte er sich wohl nicht verändert.
Ich setzte mich wieder und tappte mit dem Fuß auf den harten Boden. Alicia beugte sich zu mir herüber und flüsterte: »Atme.«
Ich schloss für einen Moment die Augen und erinnerte mich an Marcus’ endlose Lektionen in Selbstbeherrschung.
Ein Atemzug.
Mein Herz raste immer noch.
Zwei Atemzüge.
Drei
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