Das silberne Schiff - [Roman]
kurz auf. »Lasst uns zuerst Tiala und Bryan wecken. Etwas Verstärkung kann nie schaden.«
Jenna, Bryan und ich saßen in einer Reihe auf harten Metallstühlen an Mings Bett und warteten darauf, dass sie aufwachte. Soweit wir wussten, war sie keine Windleserin. Da sie im Prinzip ein blinder Passagier war, rechnete sie zweifellos damit, von uns befragt zu werden.
Jenna wollte, dass wir dabei waren, wenn Ming aufwachte. Also waren wir schon jetzt gekommen, obwohl der Prozess noch eine gute Stunde dauern musste. Wie alle anderen machte Ming einen verletzlichen und schwachen Eindruck, als ihr Körper allmählich wieder Farbe annahm. Ihre festen Muskeln gaben ihr eine ausgezeichnete Figur, die selbst im Liegen attraktiv wirkte. Sie war schlank, aber nicht dünn, eher kompakt. Und klein. Ihr Gesicht sah jetzt elfenhaft aus, während es im Wachzustand stets von großer Konzentration geprägt war. Ich zeigte auf ihre Waden. »Sie scheint genauso viel wie ihr beiden zu trainieren.«
Jenna nickte. »Das tut sie. Offenbar hat sie Elastizitätsmodifikationen. Eine Tänzerin, würde ich sagen.«
»Woran erkennst du das?«
»Schau dir an, wie lang und ausgeprägt ihre Muskeln sind. Weißt du noch, wie sie sich bewegt hat, als wir sie zum ersten Mal sahen? Anmutig. Und sie war die Einzige, die es durch die sich schließende Tür geschafft hat.«
»Abgesehen von meinem Vater.« Das erinnerte mich an etwas anderes. »Bryan, hast du nicht ebenfalls eine Modifikation erhalten, so wie Alicia?«
Er verschränkte die Hände ineinander und spannte sie an. Dann streckte er sie aus, wie eine Frau, die ihre langen Fingernägel bewundert. Ich beugte mich über eine Hand. »Beeindruckend.« Seine Nägel waren länger geworden, als hätte er kleine Messer ausgefahren, deren Ränder sehr scharf zu sein schienen. Ich berührte sie mit der Kuppe meines Zeigefingers und sah eine feine blutige Linie, als hätte ich mich an Papier geschnitten. Ich sah ihn erstaunt an. »Sei vorsichtig damit, vor allem wenn du ein Mädchen in den Armen hältst.«
Seine Wangen röteten sich. Erneut verschränkte er die Hände und bewegte sie langsam, bis die Messer sich zurückzogen. Körper als Waffen, wie sie auch die Familie der Erkunder auf Fremont getragen hatte.
Ich betrachtete Bryans Hände, die jetzt wieder normal waren. »Wohin sind sie verschwunden?«
»In meine Finger. Willst du mal fühlen?« Er berührte mich mit einem Zeigefinger. Der Nagel war jetzt eine stumpfe Rundung ohne Schärfe. Aber er fühlte sich künstlich an.
»Magische Nägel«, krächzte eine weibliche Stimme. »Ich habe gehört, sie wurden erheblich verbessert, seit ich meine bekommen habe.«
Ming. Sie hatte den Kopf nicht gedreht. Vielleicht konnte sie es noch gar nicht. Aber sie war so weit erwacht, um zusammenhängend sprechen zu können. Seltsam. Ihre Lebenswerte wurden genau wie bei uns allen genauestens überwacht, aber die Schöpferin hatte nicht erwähnt, dass sie vielleicht schon wach war. Hatte sie es gewusst?
Wir hatten entschieden, nicht zu viel Zeit zu verlieren. »Was machst du in meinem Schiff?«, fragte ich sie.
»Ich wollte sehen, woher ihr gekommen seid.«
»Warum?«
»Ich bin neugierig. Ich könnte euch helfen.«
»Wie?«, fragte ich.
Sie bewegte den Kopf, und ihre dunklen mandelförmigen Augen wirkten sehr groß in ihrem blassen Gesicht. »Ich habe euch schon einmal geholfen.« Ihre Stimme klang kratzig, aber beherrscht. Sie war es gewohnt, Befehle zu erteilen. »Ich habe Marcus Bescheid gesagt, als ihr den Raumhafen von Li verlassen habt, damit er euch findet, bevor es ein anderer tut.«
Sie musste unter schwerem Durst leiden, aber sie bat nicht um Wasser. Ich rückte meinen Stuhl näher an ihr Bett heran und reichte ihr ein Glas. Jenna und Bryan beobachteten uns, falls ich ihre Hilfe benötigte. Nicht dass Ming in ihrem derzeitigen Zustand viel Schaden hätte anrichten können. Aber magische Fingernägel? Ich achtete darauf, als sie mir das Glas Wasser abnahm. Die Nägel sahen normal aus.
Niemand hatte vorgeschlagen, dass ich mich körperlich modifizieren lassen sollte.
Ming trank das Glas in einem Zug aus und legte den Kopf wie ein Singvogel zurück. Dann hielt sie mir das Glas hin. Ihre schlanken Finger behandelten es behutsam, wie ein kostbares Kunstwerk. Ich nahm ihr das Glas ab und reichte es an Jenna weiter, die aufstand und es nachfüllte. Doch dann hielt sie es abwartend in der Hand.
Nun gut. Ich stellte eine Frage, auf die ich in jedem
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