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Das silberne Schiff - [Roman]

Das silberne Schiff - [Roman]

Titel: Das silberne Schiff - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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wieder funktionierten, mit einem einfachen Nicken bestätigt.
    Liam und ich hatten versucht, uns ihr zu nähern, hatten ihr unsere Umarmung und unsere Tränen angeboten. Doch Kayleen hatte auf nichts reagiert. Sie verbrachte den größten Teil des Fluges mit geschlossenen Augen. Ihre Haut war weiß und ihr Körper totenstarr. Vielleicht konzentrierte sie sich so intensiv auf das Fliegen, um ihre Trauer zu verdrängen. Vielleicht konnte sie ihren Gefühlen nicht nachgeben und gleichzeitig den Gleiter steuern.
    Die Brennende Leere fühlte sich ohne Brise tatsächlich leer an. Ich kam mir vor, als wäre ich von mir selbst abgekoppelt und als hätte jemand anderer meine Entscheidungen getroffen. Doch ich war mit der Entscheidung dieser fremden Chelo einverstanden, weil es die richtige war. Aber ich mochte diese Chelo nicht, ich wollte diese Person nicht sein. Und sosehr ich nach Hause zurückkehren wollte, fühlte ich mich auch davon abgekoppelt.
    Nur dass wir jetzt beinahe da waren.
    Kayleen stieß ein einziges Wort hervor: »Festhalten.«
    Ich packte die Armlehnen, als etwas Mächtiges an der Brennenden Leere zerrte und uns mit einem Ruck abbremste. Der Gleiter nahm winzige Kurskorrekturen vor, viel feiner, als es Kayleen möglich gewesen wäre. Sie sackte wieder in ihrem Sessel zusammen. Ihr Atem ging ungleichmäßig, ihr Gesicht war kalkweiß.
    Die Scheinwerfer des Gleiters erhellten die Rückwand der Höhle, die Stellen aus glattem und grob behauenem Gestein und die Türen, die tiefer in die Höhle hineinführten. Wände umgaben uns, auch wenn ich sie nicht sehen konnte. Ich hielt den Atem an, weil ich wusste, dass dazwischen nur wenig Platz war. Dann setzte der Gleiter sanft auf dem Boden des Raumes auf, von dem aus wir gestartet waren.
    Kayleen hielt die Augen geschlossen, den Kopf gegen das Kissen gelehnt, und nun rannen ihr Tränen über das Gesicht. Sie glitzerten in ihrem Haar. Ihr Atem kam in langsamen, tiefen Stößen, während sie die Schluchzer zu unterdrücken versuchte.
    Liam nahm ihre rechte Hand und ich ihre linke. So saßen wir sehr lange da und passten uns ihrem Atemrhythmus an. Schließlich entzog sie mir die eine Hand und wischte sich damit über das Gesicht. Dann öffnete sie die Augen. Sie setzte sich auf und legte beide Hände auf die Rückenlehne des Sitzes vor ihr. Der Bildschirm wurde dunkel. »Wir müssen gehen. Wir müssen sie warnen.«
    »Ja«, sagte ich und öffnete die Tür.
    Sie stand mit wackligen Knien auf und griff nach ihrer Wasserflasche, um einen tiefen Schluck zu nehmen. Sie befestigte die Flasche an ihrem Gürtel. Ihre Stimme zitterte. »Die verdammten Vögel werden sich mächtig über unseren Garten freuen.«
    Sie fuhr sich mit den Händen durchs Haar, dann flüsterte sie: »Paloma.« Sie trat durch die Tür auf die Rampe. Wir griffen unsere Sachen und folgten ihr. Hinter uns schloss sich die Rampe wieder.
    Es war tiefe Nacht, und der Wind war kälter als auf Islandia. Auf den bloßen Armen bekam ich eine Gänsehaut. Das Licht der Sterne und zweier Monde, Schicksal und Traumfänger, warf schwache Schatten auf die dunklen Felsen und den Pfad und ließ die Ränder der Blätter undeutlich schimmern. Wir sagten nichts mehr, sondern marschierten einfach los, gemeinsam, ich voran, Kayleen in der Mitte und schließlich Liam. Wir suchten den Weg durch die Nacht, mit zügigen Schritten, aber vorsichtig auf den schattigeren Abschnitten des Pfades.
    Sobald wir den breiten Hochweg erreicht hatten, verfielen wir in einen schnellen Dauerlauf bergabwärts. Bäume warfen ihre Schatten auf eine Hälfte des Weges, so dass wir auf der anderen Seite blieben, so nahe am Abhang wie möglich. Wir bewegten uns leise und sicher, wie wilde Tiere in ihrem angestammten Territorium. Ich konnte die Lichter von Artistos nicht sehen. Das war nicht richtig.
    »Kayleen?«, fragte ich. »Ist mit Artistos alles in Ordnung?«
    Sie blickte hinunter und sah dieselbe Dunkelheit. »Die Stadt ist noch da, Chelo.«
    Wir wurden langsamer, als wir an den Steinschlag kamen, und nur ein kleiner Teil meiner Aufmerksamkeit beschäftigte sich mit der schrecklichen Vergangenheit dieses Ortes. Hauptsächlich waren die Felsen und umgestürzten Bäume und verrottenden Wurzelsysteme ein Hindernis, das unser Vorankommen erschwerte.
    Als wir die Stelle hinter uns gelassen hatten, kam Liam an meine Seite und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Brauchst du eine Ruhepause?«
    Ja. Aber ich schüttelte den Kopf und wurde nur ein wenig

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