Das silberne Schiff - [Roman]
langsamer. »Womit fangen wir an? Mit Nava?«
»Ich möchte Paloma sehen«, antwortete Kayleen. »Wir werden sie wecken und gemeinsam zu Nava und Tom gehen. Vielleicht können wir eine Notsitzung des Stadtrats erwirken. Wenn wir verfolgt wurden, bleibt uns nicht viel Zeit.«
Ein heller rot-goldener Meteor strich über den Himmel, kurz darauf ein zweiter. Keine Raumschiffe oder fremden Gleiter. Aber sie hatten Daten. Wir hätten genauso gut die Koordinaten unseres Waffenlagers auf einen Zettel schreiben und ihn den Söldnern übergeben können. Andererseits konnten wir auch nicht direkt nach Artistos fliegen. Die meisten Leute wussten nicht einmal, dass wir einen Gleiter hatten, und vielleicht schossen sie zuerst und stellten später Fragen. Wir hätten vielleicht auf der Grasebene landen sollen. Aber jetzt spielte es keine Rolle mehr. Abgesehen von der Lektion, beim nächsten Mal etwas gründlicher nachzudenken. Trotzdem sprach ich es aus. »Wir sind in die Höhle geflogen.«
»Sie hat Verteidigungseinrichtungen«, erwiderte Kayleen.
Natürlich. Jenna hatte uns ermahnt, die Höhle nur von oben zu betreten und zu verlassen, weil auf dem geraden Weg, den wir mit der Brennenden Leere genommen hatten, Fallen installiert waren. »Also erkennt die Höhle die Brennende Leere ?«
»Ja.« Kayleen zögerte keine Sekunde.
Ich spürte die Anstrengung des Laufs, ein langsames Brennen tief in meinen Lungen.
»Bist du im Moment mit ihren Daten verbunden?«, fragte Liam.
»Nein. Ich glaube, wir sind jetzt zu weit entfernt.«
Wir liefen an kahlen Felsklippen mit dunklen Spalten vorbei. Oben standen Bäume als Dreiecke oder Kreise und zeichneten sich schwarz vor dem Himmel ab. Der Teil von mir, der sich für diesen Kampf entschieden hatte, kam wieder an die Oberfläche. Er war stark und leistungsfähig und stellte Fragen, auf die ich die Antworten gar nicht wissen wollte. Ich würde mich an diese Person gewöhnen müssen. Die alte war so tot wie Brise. »Haben wir die Dämmerungsmacht beschädigt?«, fragte ich. »Wie viele Leute haben wir getötet?«
»Ich weiß nicht, wie viel das Schiff abbekommen hat«, antwortete Kayleen. »Falls überhaupt. Im abgestürzten Gleiter saßen drei Leute. Keiner hat überlebt.« Ihre Stimme klang tonlos, schockiert. »Ein weiterer starb bei einer der Explosionen, und zwei wurden verwundet. Die Hunde haben einen getötet und zwei verletzt. Aber nicht Lushia oder Ghita.«
Sie rannte schweigend weiter, und ich wartete, weil ich spürte, dass da noch mehr war. Schließlich sagte sie: »Diese Leute haben das gesamte Hunderudel getötet. Sie sind gnadenlos.«
Damit meinte sie auch Brise. Es war nicht gut, wenn sie zu viel darüber nachgrübelte. »Wie wäre es, wenn du Paloma holst und ich Tom und Nava wecke? Du kannst Paloma zu ihrem Haus bringen.«
»Ich möchte, dass wir zusammenbleiben.«
Wieder schwiegen wir. Fünf von fünfzig waren tot, falls Ghita mir die Wahrheit gesagt hatte. Zehn Prozent. In Artistos lebten ein paar tausend Menschen, aber die Islaner hatten wesentlich bessere Technik. Unsere Eltern hatten unter ähnlichen Voraussetzungen einen Krieg verloren, und das schienen die Islaner zu wissen. Also waren sie vorgewarnt, dass Artistos sich wehren würde.
Ich lächelte still. Eigentlich war das Missverhältnis noch viel größer. Wir waren hier, um den Bewohnern von Fremont zu helfen. Wir würden es schaffen.
Wir würden es zweifellos schaffen.
Wir nahmen die letzte Kurve der Serpentinen und steigerten unser Tempo auf dem langen geraden Weg, der in den Kleinen Samtpark führte. Kurz vor dem Park ertönte das Signal des Grenzalarms für freundliche Eindringlinge.
Ich hätte fast vor Erleichterung geweint. Wir waren zuhause.
Wir hielten an, um wieder zu Atem zu kommen und Wasser zu lassen. Wir beugten uns über den Zaun und beobachteten, wie der Samtfluss unter uns vorbeiströmte. Das Mondlicht beschien das über Felsen fließende Wasser. Ein Fisch sprang hoch, und die konzentrischen Wellen wanderten über die dunkle Oberfläche.
»Hallo ihr«, rief eine vertraute Stimme.
»Hallo, Stile«, rief Liam zurück. »Stellt ihr neuerdings Wachen auf?«
Ein mittelgroßer Mann mit dunklem Haar und einem lädierten Arm kam auf uns zu. »Seid ihr plötzlich von den Toten wiederauferstanden?« Er ging zu Liam und schlug ihm mit der gesunden Hand auf den Rücken. Dann blieb er grinsend vor mir stehen. »Seid ihr vorhin angeflogen gekommen? Gianna hat uns gesagt, dass wir nach etwas
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