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Das silberne Zeichen (German Edition)

Das silberne Zeichen (German Edition)

Titel: Das silberne Zeichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Schreinerzunft begleitet. Allein wäre ich mir ein bisschen verloren vorgekommen.»
    «Heyn und Leynhard hätten dich als deine Gesellen begleiten können.»
    «Heyns Schwester ist gestorben, wie du weißt. Deshalb besucht er seine Familie in Kornelimünster und bleibt bis nach der Beerdigung. Und Leynhard habe ich ebenfalls erlaubt, bis Sonntag seine Eltern zu besuchen. In der letzten Zeit hat er sehr hart gearbeitet, um den Schrein für das Marienstift zu vollenden. Er hat sich ein paar freie Tage redlich verdient.»
    Ohne noch weiter auf etwaigen Protest ihrer Mutter zu hören, verließ Marysa ihre Schlafkammer und stieg die Stufen ins Erdgeschoss hinab. Sogleich kam Bardolf aus der Stube. Ihr Stiefvater war ein großer Mann mit dichtem blondem, an den Schläfen bereits leicht ergrautem Haar, der in der Zunftkleidung der Goldschmiede eine stattliche Figur machte. Er musterte sie besorgt, sagte jedoch nichts zu dem faltenreichen Kleid, sondern half ihr in den Mantel. Augenblicke später kam auch Jolánda herunter, warf ihm einen schmerzerfüllten Blick zu und schlüpfte schweigend in ihren warmen Überwurf.
***
    Als Marysa sich spät am Abend unter ihre Decke kuschelte und ihre kalten Füße aneinanderrieb, ging es ihr elend. So selbstsicher, wie sie ihren Eltern und auch den anderen Zunftmitgliedern gegenüber aufgetreten war, fühlte sie sich in Wahrheit keineswegs. Der Abend war einem Spießrutenlauf gleichgekommen. Schon im Dezember hatte sie dem obersten Zunftgreven ihre Verlobung bekannt gegeben. Nun wurde sie natürlich immer wieder nach dem Verbleib ihres Bräutigams gefragt. Vor allem, seitdem bekannt geworden war, dass die kunstvollen Schnitzereien für die Schreine, die das Marienstift bei ihr in Auftrag gegeben hatte, von Christoph Schreinemaker stammten. Nicht nur der Greve, sondern jeder der Zunftmeister wollte unbedingt diesen Künstler kennenlernen. Langsam gingen ihr die Ausreden aus.
    Im Januar hatte Christoph zurück sein wollen. Nachdem dieser Monat jedoch ohne eine Nachricht von ihm verstrichen war, quälten sie Tag um Tag immer mehr Zweifel. Sie sehnte sich nach ihm, hoffte bei jedem durchkommenden Reiter, jedem Klopfen an der Haustür, er sei endlich wieder da. In ihrem Herzen wusste sie, dass er sie nicht belogen hatte, wollte sie darauf vertrauen, dass er sein Versprechen hielt. Das Versprechen, das er ihr in jener Nacht gegeben hatte, in der er vermutlich auch das Kind gezeugt hatte. Die Erinnerung ließ sie angenehm erschauern. Doch die wohlige Empfindung wurde gleich wieder von Sorgen überlagert.
    Hatte er es sich anders überlegt? War ihm klargeworden, dass ein Leben als Schreinbauer an ihrer Seite nicht das war, was er wollte? Oder war ihm der Plan, den er geschmiedet hatte, um sich dieses Leben zu ermöglichen, zu riskant erschienen? Letzteres könnte sie ihm nicht einmal verübeln. Christoph war jahrelang als Bruder Christophorus durch die Lande gezogen, hatte gefälschte Ablassbriefe verkauft und damit ahnungslosen Christenmenschen das Geld aus der Tasche gezogen. Dass sie ihm begegnet war, hatte seine Ursache im Tod ihres Bruders Aldo. Dieser war vor mehr als drei Jahren zu einer Pilgerreise nach Santiago de Compostela aufgebrochen und hatte auf dem Weg ebenjenen zwielichtigen Ablasskrämer kennengelernt. Eine tiefe Freundschaft war zwischen den beiden Männern entstanden, nicht zuletzt, weil beide die Geheimnisse des jeweils anderen erkannt hatten. Aldo war dann auf dem Heimweg gestorben, hatte Christoph auf dem Sterbebett das Versprechen abgenommen, sich um seine Stiefmutter und seine Schwester zu kümmern. Christoph hatte dieses Versprechen gehalten. Ganz gleich, was man über ihn sagen mochte, Christoph war ein ehrenhafter Mann. Deshalb war Marysa in ihrem tiefsten Inneren auch davon überzeugt, dass er zurückkehren würde. Vor zwei Jahren war er nach Aachen gekommen, hatte ihr und ihrer Familie von Aldos Tod berichtet und zu ihrer Überraschung – und ihrem Argwohn, wie sie zugeben musste – darauf bestanden, sich um sie zu kümmern, soweit es ihm möglich war.
    Damals hatte sie selbstverständlich noch an seine Verkleidung als Dominikaner geglaubt, auch wenn ihr manches an ihm von Anfang an seltsam vorgekommen war. Er hatte ihr in einer schwierigen Zeit beigestanden, als ihr Gemahl, der Schreinbauer Reinold Markwardt, des Mordes an seinem Gesellen sowie des Handels mit gefälschten Reliquien bezichtigt wurde. Und erst recht hatte Christoph ihr geholfen, als Reinold

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