Das silberne Zeichen (German Edition)
einen Gruß los. «Welche Ausflüchte hast du diesmal vorzubringen? Verzögerung wegen schlechten Wetters, dass ich nicht lache! Ich habe mitbekommen, was du dem Greven gestern ins Ohr gesäuselt hast. Allmählich glaube ich, dass dieser Christoph Schreinemaker gar nicht existiert. Du willst dich nur um eine Ehe mit Gort herumdrücken, du hinterlistige Schlange!»
Bedächtig erhob sich Marysa, damit sie sich hinter ihrem Schreibpult weniger klein vorkam. «Zunächst einmal wünsche ich dir einen guten Morgen, Hartwig. Deine Kinderstube lässt sehr zu wünschen übrig. Und was fällt dir ein, mich der Lüge zu bezichtigen? Christoph Schreinemaker ist so lebendig wie du und ich. Dass seine Reise etwas länger als geplant ausfällt, ärgert mich sicherlich mehr als dich, doch bedeutet das noch lange nicht, dass deshalb unsere Verlobung nicht mehr besteht.»
«Verlobung, pah! Du hast ja nicht einmal etwas Schriftliches in der Hand! Da könnte ja ein jeder daherkommen und …»
«Christoph ist nicht ein jeder, Hartwig», unterbrach Marysa ihn mit schneidender Stimme, «sondern der Mann, dem ich mein Eheversprechen gegeben habe. Vor Zeugen, wie ich anfügen möchte, denn meine Eltern waren dabei.» Dass dies nicht ganz der Wahrheit entsprach, darüber wollte sie im Augenblick lieber nicht nachdenken. Sie wusste, dass sowohl ihre Mutter als auch Bardolf in jedem Fall hinter ihr stehen würden.
«Ich verlange, dass du Gort heiratest. Er ist ein guter Schreinergeselle und wird einen ausgezeichneten Meister abgeben.»
Marysa verschränkte die Arme vor dem Leib. «Dieses Thema hatten wir schon, Hartwig. Und wenn ich dich daran erinnern darf: Ich habe Gorts Antrag abgelehnt, und dabei bleibt es.»
«Himmelherrgott nochmal!», fluchte Hartwig. «Dann nimm wenigstens Leynhard. Ich weiß, dass er dir einen Antrag gemacht hat. Er ist jung und tüchtig. Ich gebe ja zu, dass er ein gefälligeres Äußeres hat als Gort.» Angewidert schüttelte er den Kopf. «Dass ihr Weiber aber auch nichts als solche Nebensächlichkeiten im Kopf habt! Soweit ich weiß, ist Leynhard dir sogar recht zugetan. Was willst du mehr?»
«Ich werde Leynhard nicht heiraten, sondern Christoph. Das vor ihm und Gott gegebene Versprechen kann ich nicht einfach rückgängig machen, Hartwig. Du weißt selbst, dass ein Eheversprechen genauso viel wiegt wie der Ehevertrag selbst.»
«So ein Unsinn!», brüllte Hartwig. An seiner Schläfe trat deutlich eine Ader hervor. «Wir zahlen diesem Kerl eine Wiedergutmachung, und fertig. So scharf scheint er nicht auf eine Ehe mit dir zu sein, sonst wäre er doch längst wieder hier. Wenn du Leynhard heiratest, kommt die Werkstatt wenigstens nicht in fremde Hände.»
Marysa blitzte ihn zornig an. «Daher weht also der Wind. Sag es doch gleich, anstatt dich hinter deiner angeblichen Sorge um mich zu verstecken! Du willst nicht, dass Christoph Schreinemaker der neue Meister meiner Werkstatt wird, weil das nämlich bedeuten würde, dass du jegliches noch so eingebildete Recht daran verlierst. Das kümmert mich einen feuchten Kehricht, Hartwig. Mein Vater hat nie gewollt, dass seine Werkstatt in deine Hände fällt. Er wäre mit meiner Wahl ganz sicher einverstanden gewesen.»
«Dein Vater ist schon lange tot, Marysa.» Hartwigs Stimme schwankte. «Und nur, weil dein sauberer Stiefvater sich im Stadtrat Liebkind gemacht hat und ihm deswegen die Munt über dich zugesprochen wurde, heißt das noch lange nicht, dass meine Rechte verwirkt sind. Ich bin immerhin dein nächster männlicher Verwandter. Und das Erbrecht …»
«Komm mir nicht mit dem Erbrecht», fauchte Marysa. «Das kannst du einklagen, sollte ich heute oder morgen überraschend dahinscheiden. Da die Wahrscheinlichkeit aber wohl sehr gering sein dürfte, lass mich gefälligst in Ruhe. Ich habe zu arbeiten, wie du siehst.» Sie deutete auf die Schriftstücke, die auf dem Pult verteilt lagen.
Hartwig schnaubte ungehalten. «Fast gönne ich diesem Kerl, dass er dich zum Weib bekommt. Es hat zwar lange gedauert, aber nun schlägt das ungarische Temperament deiner Sippe wohl doch durch. Ein bisschen Feuer unter den Röcken ist ja nicht schlecht, doch anscheinend hast du das lose Mundwerk deiner Mutter ebenfalls geerbt. Daran wird der Schreinemaker wahrlich seine Freude haben.»
«Auch das ist nicht dein Problem, Hartwig.» Nun setzte sich Marysa wieder, denn just in diesem Augenblick verspürte sie zum ersten Mal ein leichtes Flattern in ihrem Bauch, das nur von
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