Das silberne Zeichen (German Edition)
Euer Geselle Heyn im Hause? Ich habe eine Nachricht für ihn.»
«Eine Nachricht für Heyn?» Marysa blickte kurz über die Schulter, denn in diesem Moment trat ihr Altgeselle gerade wieder in die Werkstatt. Er hatte bereits Gugel und Mantel angezogen. «Heyn!» Marysa winkte ihn näher. «Hier will dich jemand sprechen.»
«Mich? Wer denn?» Heyn kam an die Tür und musterte den Zunftschreiber. «Was gibt es?»
«Heyn Meuss, Ihr seid doch der Vormund Eurer Nichte Magdalena, nicht wahr?», fragte Runge.
Heyn nickte. «So ist es. Seit meine arme Schwester gestorben ist, kümmere ich mich um die beiden Töchter. Na ja, soweit mir das möglich ist.»
«Ein Schustergeselle, der bald als Meister die Werkstatt seines Vaters übernehmen wird, hat um ein Gespräch mit Euch gebeten», erklärte der Schreiber. «Offenbar wünscht er, Eure Nichte zu ehelichen.»
«Die Magdalena?», wunderte Heyn sich. «Die ist doch erst sechzehn. Seid Ihr sicher, dass es nicht um Margarete geht?»
Runge zuckte die Achseln. «Mir wurde der Name Magdalena genannt. Es scheint dringend zu sein. Ich soll Euch ausrichten, dass Ihr schon morgen in Kornelimünster erwartet werdet.»
«Morgen? Aber …» Heyn fasste sich an den Kopf und drehte sich zu Marysa um, die dem Gespräch gelauscht hatte. «Ich muss was für Frau Marysa erledigen. Kann das nicht ein paar Tage warten?»
Marysa trat nun ebenfalls wieder an die Tür. «Heyn, deine Familienangelegenheiten gehen natürlich vor. Wenn dieses Gespräch mit dem Schuster wirklich so dringend ist, solltest du keine Zeit verlieren. Und bedenke, ein Schustermeister ist eine gute Partie für deine Nichte.»
«Ja, aber ich habe Euch versprochen …»
«Mach dir keine Gedanken», kam es nun von Leynhard. «Ich reite für dich nach Frankfurt. Das heißt, wenn es Frau Marysa recht ist.» Fragend blickte er Marysa an. «Ich tue das gerne, wirklich. Nur ist dann leider keiner von uns in der Werkstatt.»
«Das macht nichts», erwiderte Marysa erleichtert. «Es wird schon nicht schaden, die Werkstatt für ein paar Tage zu schließen. Ich danke dir, Leynhard, das ist wirklich sehr nett von dir.»
«Ach, keine Ursache.» Leynhard errötete leicht. «Das tu ich wirklich gern, Frau Marysa. Ihr wisst, dass ich Euch immer …» Er brach ab und senkte verlegen den Blick. «Ich kann mich gleich reisefertig machen, wenn Ihr wollt.»
«Also gut. Ich gebe Grimold Bescheid, dass er dir ein Pferd sattelt, und dann …»
«Frau Marysa», mischte sich der Schreiber noch einmal ein. «Für Euch habe ich auch noch eine Nachricht. Der oberste Zunftgreve wünscht, Euch so bald wie möglich im Zunfthaus zu sehen. Ihr sollt Euch vor der Zunftversammlung zu den Anschuldigungen gegen Euren angeblichen Verlobten äußern.»
Marysa funkelte ihn erbost an. «Er ist nicht mein angeblicher Verlobter», zischte sie, «sondern mein zukünftiger Gemahl und Meister dieser Werkstatt. Sagt Hartwig, dass ich am nächsten Mittwoch zur regulären Versammlung erscheinen werde und keinen Tag früher.»
«Sehr wohl, Frau Marysa.» Runge wirkte etwas verstört. Offenbar hatte er nicht mit ihrer schroffen Reaktion gerechnet. «Ich richte es ihm aus. Meister Schrenger war sehr ungehalten, weil man Euren … also den Schreinemaker eingesperrt hat.»
«Ungehalten?» Marysa starrte den Schreiber empört an. «Das ist ja wohl die Höhe! Richtet Hartwig aus, er soll an seiner Schadenfreude ersticken.» Ohne ein weiteres Wort machte sie auf dem Absatz kehrt und ließ den Schreiber an der Tür stehen.
«Da habt Ihr aber in ein Wespennest gestoßen», sagte Leynhard leise. «Meister Schrenger und Frau Marysa sind im Augenblick nicht die besten Freunde.»
«Der Zunftgreve tut nur seine Pflicht», versuchte Runge sich zu verteidigen. «Ich befolge lediglich seine Anweisungen.»
«Und Frau Marysa ist wütend auf ihn, weil er es war, der ihren Verlobten ins Grashaus gebracht hat. Das ist ja wohl verständlich», fuhr Leynhard ihn ungewöhnlich grob an. «Nun entschuldigt mich, ich muss mich für den Ritt nach Frankfurt umkleiden.» Er warf dem Schreiber die Tür vor der Nase zu und eilte hinauf in seine Kammer, um seinen Mantel, Schal und eine warme Gugel zu holen.
***
Unruhig ging Marysa in ihrer Schlafkammer auf und ab. Leynhard war bereits seit einigen Tagen unterwegs. Sie hoffte, er hatte den Boten mittlerweile ausfindig machen können. Da das Wetter weiterhin trocken und vergleichsweise warm war, ging sie davon aus, dass ihr Geselle bald
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