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Das silberne Zeichen (German Edition)

Das silberne Zeichen (German Edition)

Titel: Das silberne Zeichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Kiste ab und hob die Tasche an. Mit fliegenden Fingern öffnete sie die Lasche, mit der sie verschlossen war, und blickte dann sprachlos auf die Urkunden, gesiegelt vom Rat der Stadt Frankfurt. Auch jene Briefe, von denen Christoph gesprochen hatte, entdeckte sie. Alles schien unversehrt zu sein.
    Wer hatte die Tasche hier versteckt? Aus einem Impuls heraus drehte sich Marysa um. Sie war allein im Stall. Ihre Finger krallten sich in das weiche Leder. Hatte den Dieb Reue überkommen, sodass er die Urkunden zurückgebracht hatte? Der Gedanke kam Marysa absurd vor. Dann fiel ihr Blick auf einen weiteren Gegenstand in der Kiste.
    Sie ließ die Tasche zu Boden gleiten und griff nach der kleinen Schatulle, die mit einem kunstvoll gearbeiteten Messingschloss versehen war. Vorsichtig drehte Marysa das Kästchen und hörte dabei ein Klimpern in seinem Inneren. Was mochte sich darin befinden? Schmuck? Münzen? Hatte der Dieb noch mehr von Christophs Eigentum entwendet?
    Das leise Knarren der Stalltür ließ Marysa erstarren. Ihre Nackenhärchen stellten sich auf. Unfähig, sich zu bewegen, verharrte sie in ihrer hockenden Stellung. Kühle Luft drang durch die geöffnete Tür herein. Sie hörte den leisen Atem eines Menschen hinter ihr; einen Schritt. Dann fiel etwas mit einem leisen Klirren neben ihr ins Stroh.
    Ihr Herz raste, als sie im diffusen Licht der Öllampe erkannte, worum es sich handelte. Es war ein Schlüssel, mit dem sich die Schatulle womöglich öffnen ließ.
    Unwillkürlich griff sie danach und hob gleichzeitig den Kopf, um dem Menschen, der mittlerweile dicht neben ihr stand und auf sie herabblickte, in die Augen sehen zu können. Das Entsetzen, welches sie dabei verspürte, rang nur einen Augenblick mit dem Gefühl der Erkenntnis.
    «Warum?», fragte sie mit einer Stimme, die ihr selbst fremd vorkam.
    Er lächelte nur. «Schließt es auf», forderte er.
    Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie wusste in dem Moment, da sie sein Gesicht erkannt hatte, dass sie in Lebensgefahr schwebte. In seinen Augen glitzerte etwas, das sie an Wahnsinn denken ließ. Schreien, dachte sie. Ich muss um Hilfe rufen. Sie wusste, dass es sinnlos sein würde. Der Dolch, der in seiner Hand lag, glänzte im fahlen Licht des Lämpchens gefährlich auf. Er war ihr zu nahe, als dass sie auch nur daran zu denken wagte, Luft zu holen.
    Obgleich ihre Finger stark zitterten, schaffte sie es, die Schatulle mit Hilfe des Schlüsselchens zu öffnen. Es war nicht nötig. Sie wusste schon, was sie enthielt, bevor sie die silbernen Zeichen erblickte.
    «Und nun», sagte er mit samtweicher Stimme, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ, «kommt Ihr mit mir, Frau Marysa.»

32. KAPITEL
    Geruscha lag mit offenen Augen in ihrem Bett. Es war zum Verzweifeln – so oft, wie in letzter Zeit, war sie schon lange nicht mehr geschlafwandelt. Inzwischen traute sie sich kaum noch einzuschlafen, zögerte es immer weiter hinaus, in der Hoffnung, die unselige Wandelei damit unterdrücken zu können. Vom anderen Schlaflager hörte sie die gleichmäßigen Atemzüge Imelas. Das Geräusch wirkte beruhigend, einschläfernd.
    Sie wollte nicht einschlafen! Mit aller Kraft versuchte sie, in der Finsternis den Rahmen des Fensters auszumachen und zu fixieren. Doch ihre Lider wurden immer schwerer, die Anstrengung, sie offen zu halten, immer größer. Schon glitt sie sanft hinüber in die stille, angenehme Zwischenwelt, die dem Schlaf vorauseilt.
    Mit heftig klopfendem Herzen setzte Geruscha sich auf und lauschte. Etwas hatte sie unsanft zurückgeholt. Ein Laut, ein Knarren – sie wusste es nicht genau. Da war es wieder! Ganz deutlich vernahm sie leise Schritte auf der Treppe. Wer schlich da mitten in der Nacht durchs Haus?
    Als sie die Hintertür knarren hörte, entspannte sie sich wieder etwas. Offenbar war jemand auf dem Weg hinaus zum Abtritt. Jemand, dem der Nachttopf nicht ausreichte.
    Hoffentlich war niemand krank geworden! Sogleich dachte sie an ihre Herrin. Auch wenn Frau Marysa es zu verbergen versuchte, wusste doch inzwischen der gesamte Haushalt, dass sie froher Hoffnung war. Die Aufregung und Sorgen der letzten Zeit setzten einer Schwangeren bestimmt sehr zu.
    Leise schwang die Magd ihre Beine aus dem Bett und griff nach ihrem Kleid. Wenn es ihrer Herrin nicht gutging, musste sie ihr helfen. Nicht auszudenken, wenn ihr etwas geschah. So gut wie hier hatte Geruscha es noch nie gehabt. Marysa Markwardt war eine gütige, nicht zu strenge Frau. Trotz

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