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Das silberne Zeichen (German Edition)

Das silberne Zeichen (German Edition)

Titel: Das silberne Zeichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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es schien schon weitaus länger unter der Oberfläche gelauert zu haben. Christophs Eintreffen in Aachen war nur der Auslöser gewesen.
    Entschlossen trat Marysa in den Hof. Alles schien nach wie vor ruhig zu sein. Hatte sie sich vielleicht getäuscht? Aber nein, sie hatte ganz eindeutig gehört, wie jemand Steinchen gegen ihren Fensterladen geworfen hatte. Unschlüssig ging sie ein paar Schritte vorwärts, dann beschloss sie, zunächst im Stall nachzusehen.
    Etwas mulmig wurde ihr nun doch, als sie den breiten Türflügel aufzog. Das Licht ihres Lämpchens flackerte im Luftzug. Beinahe erwartete Marysa, erneut eine Leiche vom Deckenbalken baumeln zu sehen. Doch nichts dergleichen fand sie vor. Nicht einmal Heyns Leichnam war mehr auf dem Strohlager aufgebahrt. Die Büttel hatten ihn am frühen Abend fortschaffen lassen – für Vogtmeier und Schöffen, wie sie sagten, die sich den Toten genau ansehen wollten, bevor sie beschlossen, ob und wo er zu beerdigen sei.
    Die beiden Pferde schnaubten überrascht über die nächtliche Besucherin. Das Licht spiegelte sich glitzernd in ihren Augen, als sie Marysa den Kopf zuwandten. «Schon gut», sagte sie leise. «Anscheinend habe ich mich getäuscht. Hier ist niemand, nicht wahr?» Sie wollte sich schon zurückziehen, als ihr Blick auf eine Unregelmäßigkeit im Stroh fiel. Neugierig ging sie darauf zu. Etwas verbarg sich unter den trockenen Halmen, ganz in der Nähe der Stelle, an der Heyn gelegen hatte.
    Etwas – nicht jemand, beruhigte Marysa sich, deren Herzschlag sich kurzfristig beschleunigt hatte. Der Gegenstand war viel zu klein, um auf ein lebendiges Wesen, gar einen Menschen schließen zu lassen. Vorsichtig beugte sie sich darüber und schob das Stroh mit einer Hand beiseite. Dabei achtete sie darauf, dass es nicht mit der Flamme ihres Lämpchens in Berührung geriet.
    Überrascht blickte sie auf die kleine Holzkiste hinab. Woher stammte sie oder vielmehr, wer hatte sie hier abgestellt? Sie war sich sicher, dass der Kasten am Morgen noch nicht da gewesen war. Fast sicher. In all der Aufregung hatte sie nicht weiter darauf geachtet. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Nervosität ließ ihre Finger leicht zittern, als sie den Deckel der Kiste vorsichtig anhob.
***
    Bruder Jacobus ging raschen Schrittes durch die nächtlichen Straßen Aachens. Er hatte Beunruhigendes in Aachen wahrgenommen. Seine Pläne drohten durchkreuzt zu werden. Klärung konnte er sich indes nur zur Nacht verschaffen. Die vielen Jahre im Dienste der Heiligen Römischen Inquisition hatten ihn nicht nur gelehrt, vorsichtig zu sein, sondern auch, sich wechselnden Situationen rasch und kompromisslos anzupassen.
    Auch jetzt fiel ihm das nicht schwer, noch immer steckte er in der Kutte der Augustiner, die ihm, falls nötig, ausreichend Tarnung geben würde. Darunter trug er freilich, gut unter den Falten des Habits verborgen, ganz andere Kleidung und einen handlichen kleinen Dolch, der ihm bereits mehr als einmal gute Dienste geleistet hatte.
    Er hoffte, sich mit den zwei, drei gezielten Steinwürfen gegen die Fensterläden jenes Hauses, das er leider derzeit aus strategischen Gründen nicht betreten konnte, ausreichend bemerkbar gemacht zu haben. Leider gab es momentan keine andere Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen. Vieles hing vom rechten Zeitpunkt ab. Doch der, so argwöhnte er, drohte ihm zu entschlüpfen, da sich die Ereignisse nicht so entwickelten, wie er erwartet hatte. Der Schatten, den er jüngst schon einmal wahrzunehmen gedacht hatte, dräute noch immer über ihm – oder vielmehr über den Menschen, die ihm am Herzen lagen. Noch immer nicht greifbar – und das wurmte ihn ganz besonders –, schlüpfrig wie eine Schlange und nicht weniger gefährlich, so fürchtete er.
    Er wünschte, die Zeit, sich zu offenbaren, wäre endlich gekommen. Doch noch war es nicht so weit. Zunächst galt es, die Lage zu klären und gegebenenfalls sein Vorgehen neu auszurichten.
    Vor einem dunklen Gebäude blieb er stehen. Ein unauffälliges, nicht zu großes Wohnhaus. Genau richtig, so hoffte er, als er das Tor zum Hinterhof öffnete. Er schlich hindurch, orientierte sich und ging dann zielstrebig auf die Stallungen zu.
***
    Fassungslos schaute Marysa auf die Ledertasche, die in der Kiste verborgen gewesen war. Obgleich sie sie nie zuvor gesehen hatte, wusste sie sofort, dass es sich um Christophs Eigentum handeln musste. In ihren Ohren rauschte das Blut; sie stellte die Öllampe auf dem Deckel der

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