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Das singende Kind

Das singende Kind

Titel: Das singende Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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umgestülpt und die Scheine und Münzen auf den Teetisch fallen lassen. »Versuchen wir es doch einfach außerhalb der Stadt. In einem Einkaufszentrum.«
    »Nicht mit dem Trick«, sagte Trudi.
    »Sie überschätzen unseren Ruhm, Kind.« Cilly Weil ging an ihre Kommode und holte die Schachtel mit der dezenten Schminke heraus.
    »Nein«, sagte Trudi.
    »Wollen Sie nicht mehr verdienen? Ich dachte, Sie kriegen kein Taschengeld mehr.«
    »Ich will nicht länger die Schwangere spielen.« Trudi setzte sich auf den Klavierschemel und schlug einen Ton an.
    »Ich bin überrascht, Kind. Ich dachte, Sie lieben die Rolle.«
    Cilly Weil fing an, ihr Gesicht zu pudern. »Waren Sie es denn nun?« Sie drehte sich um, als Trudi nicht antwortete. »Schlucken Sie schon wieder an Tränen?«
    »Georg sagt, er könne keine Kinder zeugen.«
    »Wenn er das schon zugibt.« Die Weil lachte. »Impotentia generandi. Immer noch besser als die andere. Ich hatte einen Liebhaber, der war Spezialist dafür. Hatte nur Geschlechtsorgane im Sinn.« Sie zog mit einem zu dunklen Stift schwungvolle Brauen über ihre Augen.
    »Ich gehe nicht mit.« Trudi suchte noch ein paar Töne zusammen. Der Anfang eines Liedes von Haydn. Das Leben ist ein Traum.
    »Das ist ja unser beider Schicksalsmelodie«, sagte Cilly Weil »Sie sollten sich auch schminken, Kind. Sie sehen aus wie der Tod.«
    »Ich weiß nicht, wie ich weiterleben soll«, sagte Trudi.
    »Seien Sie nicht albern. Ich werde eine Sängerin aus Ihnen machen. Und wenn Ihr Georg zeugungsunfähig ist, dann gehen Sie zu einem anderen oder vergessen die Bälger.«
    Trudi ließ die Tasten los. »Im Augenblick bin ich nichts anderes als Ihre Komplizin«, sagte sie.
    »Wenn Sie wirklich schwanger waren, dann haben Sie doch wohl schon mit einem anderen geschlafen. Oder glauben Sie an eine jungfräuliche Empfängnis?«
    »Ich will nur Gesangsstunden von Ihnen«, sagte Trudi.
    »Dann verdienen Sie sich die Gesangsstunden«, sagte Cilly Weil, »umsonst gibt es nichts bei mir.«
    »Heute nicht«, sagte Trudi, »vielleicht morgen.«
    »Das können Sie mir nicht antun, ich sehe gerade so gut aus.« Cilly Weil schüttelte ihr schwarzes Haar.
    »Ich würde heute nur alles verderben.«
    Die Weil sah sie an. »Vielleicht haben Sie recht«, sagte sie, »aber das nächste Mal lasse ich nicht locker.«

Georg hob die Hand und holte aus und schlug sich ins Gesicht. Ein harter, geräuschvoller Schlag. Die rechte Wange rötete sich. Georg sah es im Spiegel und fühlte eine Befriedigung. Seit Tagen schlug er in das eigene Gesicht. Das einzige Ventil, das er fand.
    Er ging an den Schreibtisch zurück, um die letzten Sätze zum Singenden Kind zu schreiben, und holte sich Jos' Zeichnung vom Auszug der Kinder vor Augen. Jos hatte sie ihm immer noch nicht zurückgebracht. Als versuche er, den letzten Akt ihrer Freundschaft aufzuschieben. Georg hatte Angst davor, daß Jos kam.
    Georg stützte die Ellbogen auf und schob seine Brille in die Stirn und schaute auf das oberste der Fotos, die er nicht mehr brauchte. Ein Straßenjunge aus Guatemala. Erschlagen von der Polizei. Georg stand auf und hängte das Bild zu den anderen an die Schnur. Der Junge sah friedlich aus. Die schlimmsten Fotos hatte Georg in dem Ilford-Karton gelassen.
    Die Wange war noch immer rot und jetzt auch leicht geschwollen. Georg dachte, daß er noch einmal fest zuschlagen müßte, um wirklich entstellt auszusehen. Er ging in die Küche und griff sich die Flasche Kirschwasser, die kleiner war als ein Flachmann und den Gewürzen zugezählt wurde. Die guten Dinge sehen. Auf das Singende Kind trinken. Vor Tagen hatte er es noch aufgeben wollen. Das Schlafzimmer lag dunkel und still da. Wenigstens ein Licht anschalten. Auf Trudis Nachttisch. Georg sah das Foto der Lafleurs. Vielleicht sollten Trudi und er gemeinsam nach Nizza fahren. Die Wohnung auflösen und sich in den Armen liegen.
    Georg wandte sich ab und wollte wieder zurückgehen, als er den Geruch wahrnahm. Er schaute auf den Teppich und unter die Sohlen seiner Schuhe, und es fiel ihm ein Traum ein, den er vor langer Zeit geträumt hatte. Georg ging auf Trudis Schrank zu und zog die Türen auf. Der Geruch von Verwesung nahm ihm den Atem. Er hob die Hemden und Slips hoch und fand die zerschnittene Babywäsche. Griff schließlich nach einem Bündel, das in rosafarbenes Papier eingewickelt war. Schlachterpapier. Er konnte sich erinnern.
    Georg trug das Bündel mit ausgestreckten Armen in die Küche. Ließ es in die

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