Das Skript
auf. »Also, es ist vielleicht ziemlich weit hergeholt, aber diese Geschichte mit den Zahlen und der Haut – ich habe mal einen Krimi gelesen, in dem es um solche Mordfälle ging. Frauen, denen die Haut vom Rücken geschnitten wurde und die Zahlen auf der Stirn hatten. Es ist schon einige Zeit her, ich erinnere mich nicht mehr an den Titel, aber ich weiß noch, dass ich das Buch nach den ersten 50 Seiten weggelegt habe, weil es mir nicht gefallen hat.«
»Was? Das ist überhaupt nicht weit hergeholt!« Matthiessen wirkte aufgeregt. »Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein Täter Anregungen aus Büchern holt. Können Sie sich vielleicht noch an den Autor erinnern?«
»Nein, leider auch nicht.«
Stohrmann beugte sich ein Stück nach vorne. »Und was ist mit diesem Rahmen, kam der auch in dem Krimi vor?« Diederich dachte einen Moment nach. »Ja, ich bin mir ziemlich sicher, aber … Wie gesagt, ich habe den Roman ziemlich schnell abgebrochen. Das war mir alles zu abgedreht.«
»Wie wir sehen, ist es das nicht.« Erdmann spürte die vage Hoffnung in sich aufsteigen, durch dieses Buch vielleicht tatsächlich einen Anhaltspunkt zu bekommen. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und sah zu Matthiessen und dann zu Stohrmann. »Es ist jetzt kurz nach vier. Vorschlag: Rufen wir doch in einer Buchhandlung an und versuchen herauszufinden, wie dieses Buch heißt und wer es geschrieben hat. Wenn der Kollege Diederich dem Buchhändler alles erzählt, woran er sich erinnern kann, fällt dem vielleicht der Titel des Krimis ein.«
»Gut, tun Sie das sofort.« Stohrmann nickte Erdmann zu und wandte sich an die anderen Anwesenden. »Die Kollegin Matthiessen wird uns währenddessen von ihrem Gespräch mit dieser Studentin erzählen, und jemand von ihnen klemmt sich gleich im Anschluss vor den PC und geht die Datenbank nach Fällen durch, die Ähnlichkeiten aufweisen. Außerdem möchte ich, dass zwei von Ihnen zur Familie Kleenkamp fahren und sich das Zimmer oder die Wohnung von Heike Kleenkamp ansehen. Tagebücher, Aufzeichnungen, Computer und so weiter. Vielleicht gibt es da einen Hinweis.« Erdmann erhob sich und verließ den Raum, dicht gefolgt von Diederich.
Minuten später saßen sie vor dem PC in Erdmanns Büro und waren gleich mit dem ersten Anruf erfolgreich. Sie hatten sich für die Filiale einer großen Buchhandelskette entschieden, die in der Trefferliste des Online-Telefonbuches ganz oben aufgeführt war. Diederich erklärte sein Anliegen und nannte die wichtigsten Fakten des Buches, an die er sich erinnern konnte. Er hörte einen Moment zu, dann hellte sich sein Gesicht auf. »Ja … ja genau … ja, jetzt erinnere ich mich. Stimmt.« Er griff sich einen Stift und schrieb auf eine der wenigen Stellen der Papierunterlage, die Erdmann noch nicht vollgekritzelt hatte:
Das Skript/Christoph Jahn
»Und haben Sie das Buch … Ah, okay, schade … Wann wäre es da, wenn Sie es bestellen? … Montagnachmittag … Hm … Ja? Ja sicher … Aha … Und wie heißen die?« Wieder nahm er den Stift zur Hand, und Erdmann sah ihm dabei zu, wie er
Die kleine Bücherecke
und eine Adresse unter den Buchtitel schrieb. Diederich bedankte sich und legte auf.
»Das Buch heißt
Das Skript
. Die haben es zwar nicht da, aber die Buchhändlerin meinte, es gibt eine kleine Buchhandlung, hier in der Nähe –
Die kleine Bücherecke
. Sie sagte, sie kennt die Besitzerin gut, sie ist wohl ein Fan dieses Autors, und es kann gut sein, dass sie das Buch im Laden hat. Der Autor wohnt übrigens in Hamburg.«
»Das ist ja interessant.« Erdmann notierte sich alle Daten auf seinem Notizblock, dann stand er auf. »Ruf doch bitte in dem Buchladen an und hör nach, ob die das Buch dahaben, und komm dann gleich runter in den Einsatzraum.«
III
Zuvor
Der Schmerz war allgegenwärtig, er beherrschte sie vollkommen. Ihr Verstand hatte sich irgendwann einen Weg durch die Wogen der Panik zurückerkämpft, hatte ihr wieder zu denken erlaubt.
Dieses Monster hatte etwas Grauenvolles mit ihr gemacht, mit ihrem Rücken. Sie wollte nicht sterben, sie überlegte fieberhaft, was sie anbieten konnte im Tausch gegen ihr Leben. Alles wollte sie tun, restlos alles, wenn sie nur nicht sterben musste. Sie hatte sich nie Gedanken über den Tod gemacht, darüber, dass sie dann nicht mehr existieren sollte. Einfach nicht mehr da, nie wieder. Warum konnte ihre Mutter jetzt nicht kommen und sie in den Arm nehmen?
Bitte, bitte, Mama, komm und hilf mir
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