Das Skript
Matthiessen. »Es muss doch etwas geben, das einen Zusammenhang zwischen der Entführung von Heike Kleenkamp und diesem Ding, das Nini bekommen hat, vermuten lässt. Sie haben ja sicher nicht heute Morgen diesen Rahmen gesehen und gedacht:
Hey, der hat bestimmt was mit der Kleenkamp-Entführung zu tun
, oder?«
Erdmann spürte, wie sein Ärger langsam wuchs. »Was wir gedacht und getan haben, tut nichts zur Sache, Herr Zender. Die Entführung geht Sie nichts an, und die Fragen, die wir Frau Hartmann stellen möchten – wenn wir mal dazu kämen, ihr Fragen zu stellen –, gehen Sie ebenfalls nichts an. Wir befragen sie als Zeugin, daher hat sie …«
» … kein Aussageverweigerungsrecht, weil sie keine Verdächtige ist, ich weiß, ich bin angehender Jurist. Aber vielleicht greift ja das Auskunftsverweigerungsrecht nach Paragraph 55 der Strafprozessordnung, weil Nini sich durch ihre Aussage der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würde.
Das
kann sie allerdings nicht wissen, weil sie ja nicht weiß, worum es eigentlich geht. Außerdem haben Sie es versäumt, Nini über ihr Auskunftsverweigerungsrecht zu belehren.
Contra legem.
«
Erdmann verdrehte die Augen. Ein angehender Jurist, das hatte ihm gerade noch gefehlt. Doch dann fiel ihm Heike Kleenkamps Tätowierung wieder ein, die Rose, und was es bedeuten würde, wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass … »Diese junge Frau ist seit fast vier Tagen verschwunden, und vielleicht kann Frau Hartmann uns den entscheidenden Hinweis geben, der darüber entscheidet, ob Heike Kleenkamp stirbt oder am Leben bleibt, Herr Zender.«
Das Dauergrinsen verschwand aus Zenders Gesicht, und Erdmann sah ihm deutlich an, dass er sich nicht mehr so sicher fühlte wie noch eine Minute zuvor. »Ich möchte ja nur, dass Sie Nini sagen, in was sie da reingezogen wird.« Seine Stimme hatte den fordernden Ton verloren, und er war bedeutend ruhiger geworden. »Was ist denn mit diesem Rahmen? Nini sagte, das sah ganz seltsam aus, wie … Haut.«
Bevor Erdmann etwas erwidern konnte, antwortete Matthiessen: »Schweinehaut womöglich, wir wissen es noch nicht.« Sie sah Zender dabei fest in die Augen, der ihrem Blick allerdings nur Sekunden standhielt.
Bürschchen
, dachte Erdmann.
Matthiessen blätterte eine Seite des Berichts um und sah dann wieder zu Nina Hartmann hoch. »Also noch mal: Sie kennen Heike Kleenkamp nicht, und es kann auch nicht sein, dass sie früher vielleicht auf der gleichen Schule waren? Oder im gleichen Verein, bei einer Organisation? Nichts?«
»Aber wie soll ich das denn wissen? Ich weiß nur, dass ich sie nicht kenne.«
»Also gut. Und wie war das in den letzten Tagen, gab es irgendwelche außergewöhnlichen Begegnungen, Anrufe oder Ähnliches?«
»Nein, alles war wie immer.«
»Und Sie sind sicher, dass Sie niemanden kennen, der einen Roman geschrieben hat oder schreiben möchte? Einen Krimi? Jemanden, der vielleicht versucht hat, etwas zu veröffentlichen, und abgelehnt worden ist?«
Erdmann registrierte, dass die junge Frau kurz stockte. »Also … zumindest weiß ich nichts davon.« Sie richtete sich ein wenig auf und zog ihren Pullover zurecht. Täuschte er sich oder wirkte sie mit einem Mal unsicher?
»Denken Sie bitte noch mal genau nach«, sagte er. »Es kann enorm wichtig sein. Sind Sie ganz sicher?«
Sie warf ihrem Freund einen flüchtigen Blick zu, bevor sie nickte. »Ja, ganz sicher.«
Matthiessen setzte zu einer weiteren Frage an, wurde aber durch das Klingeln ihres Handys unterbrochen. Ruhig stand sie auf, zog das Telefon aus der Tasche und nahm das Gespräch an, während sie den Raum verließ. Als Erdmann die Befragung gerade fortführen wollte, war sie jedoch schon wieder zurück. »Kommen Sie, wir müssen los«, sagte sie zu ihm, und an Nina Hartmann gewandt: »Vielen Dank für Ihre Hilfe, wir melden uns wieder.«
Erdmann wartete, bis sie ein Stockwerk von Dirk Schäfers Wohnungstür entfernt waren, dann fragte er: »Wer war das, was ist los?«
»Der PvD. Im Stadtpark ist eine Leiche gefunden worden. Weiblich. Jemand hat ihr die Haut vom Rücken geschnitten.«
6
Die Tote befand sich in dem Waldstück, das sich um Planetarium und Jahnkampfbahn ausdehnte. Sie saß nur wenige Meter hinter der Baumgrenze auf dem moosigen Boden, mit dem Rücken so an einen Stamm gelehnt, dass sie vom Waldrand nicht zu sehen war. Ihr Kopf war nach vorne gesunken, das Kinn ruhte auf der Brust, eingerahmt von dicken rotblonden Haaren. Sie
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