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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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dafür sorgen, dass ein Kollege zu Jahn rausfährt und Fotos von seinem Keller macht? Vielleicht bringt uns das ja wirklich was.«
    »Ja, mach ich. Obwohl ich nicht glaube, dass dieser Verrückte sich die Mühe macht, den Raum nachzubauen. Warum sollte er das tun? Er muss doch davon ausgehen, dass wir diesen Raum nie finden werden. Es reicht für ihn doch völlig aus, wenn die Details stimmen, die wir zu sehen bekommen. Verstehst du?«
    »Ich bin mir da nicht so sicher, Andrea. Wenn jemand so gestört ist, dann würde ich absolut nichts ausschließen. Wer immer das tut, der denkt in anderen Bahnen als wir, das steht fest.«
    Matthiessen zuckte mit den Schultern und tätigte ihren nächsten Anruf, mit dem sie einen Fotografen für Jahns Keller organisierte. Sie hatte kaum aufgelegt, als ihr Telefon klingelte. »Matthiessen … ja, … ja, das stimmt.« Dem Klang ihrer Stimme war deutlich anzuhören, dass es nichts Angenehmes war, was sie gerade zu hören bekam. »Richtig. Ich habe das angeordnet … Nein, das war aus meiner Sicht nicht mehr nötig … Aber als die stellvertretende Leiterin … Ja, ich weiß, natürlich … Nein, das konnten wir zu diesem Zeitpunkt doch noch gar nicht … Ja … Ja, ist gut.«
    Eine Weile sagte sie nichts, und Erdmann fragte auch nicht. Es war klar, dass sie gerade mit dem Leiter der BAO gesprochen hatte. »Stohrmann hat mir gedroht, mich vor eine Untersuchungskommission zu zerren.«
    »Was?«, rief Erdmann aufgebracht. »Wieso denn, ich meine, wie kommt er dazu? Aus welchem Grund?«
    »Die beiden Kollegen vor Nina Hartmanns Wohnung. Er hat gehört, dass ich sie abgezogen habe, und wenn sie jetzt tatsächlich entführt wurde … Er meinte, es wäre die logische Fortsetzung meiner bisherigen Fehlleistungen.«
    »Moment mal,
ich
war es doch, der dich dazu gedrängt hat. Warum hast du Stohrmann das nicht gesagt? Es kann doch nicht sein, dass du jetzt auch noch den Kopf hinhalten musst für etwas, das ich zu verantworten habe.«
    »Das ist ein Denkfehler, Stephan. Zu verantworten habe ich es, denn ich habe den Befehl dazu gegeben.«
    Erdmann seufzte, erwiderte aber nichts. Ihm war klar, dass es für Matthiessen ein Leichtes gewesen wäre, Stohrmann zu sagen, dass es seine, Erdmanns, Idee gewesen war, die beiden Kollegen vor Nina Hartmanns Tür abzuziehen. Aber das hatte sie nicht getan. Sie hatte sich vor ihn gestellt, obwohl sie wusste, dass Stohrmann das sofort gegen sie verwenden würde. Erdmann fasste den Entschluss, seiner Kollegin schnellstmöglich zu sagen, was ihr gemeinsamer Vorgesetzter ihm an diesem Morgen erzählt hatte. Und zwar alles, auch das von dem jungen Kollegen, dessen Tod Matthiessen Stohrmanns Meinung nach zu verantworten hatte. Er war ihr das schuldig, fand er.
    »Überhaupt, wir sollten uns durch diese Sache nicht zu sehr ablenken lassen, wir haben im Moment wirklich anderes zu tun«, sprach Matthiessen jetzt weiter.
    »Ja, du hast recht. Aber manchmal habe ich das Gefühl, Stohrmann hat regelrecht Spaß daran, unsere Ermittlungen zu stören.«
    Darauf sagte Matthiessen nichts.

VIII
    Zuvor
    Sie hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, wie viele Grausamkeiten ein menschlicher Geist verarbeiten konnte, bis der Verstand kapitulierte und irreversibel beschädigt war. In diesem Moment stellte sie sich die Frage, ob sie nun an diesem Punkt war. Nein, sie fragte sich nicht, sie war sich ziemlich sicher, dass das geschehen war. Denn sie ertappte sich bei Gedanken, die in ihrer Situation so verrückt waren, dass sie nur einem beschädigten Verstand entsprungen sein konnten. Gerade hatte sie dabei zugesehen, wie einem Menschen die Haut vom Körper abgezogen worden war. Anfangs, als das Monster die ersten Schnitte ausgeführt hatte, als die Hand mit dem Gummihandschuh einen Hautlappen packte und nach oben zog wie einen Pizzateig, hatte ihr Gehirn ohne ihr bewusstes Zutun dem Körper den Befehl gegeben, alles einzustellen. Das Denken, jegliche Bewegung, das Atmen. Sie hatte dagestanden, die Arme erhoben, die Beine leicht gespreizt, unbeweglich, erstarrt, wie tot. Ihre lidlosen, furchtbar schmerzenden Augen hatten mit angesehen, was das Monster tat, aber die Bilder waren in ihrem Gehirn angekommen wie eine fremde Sprache, die sie nicht verstand, von der sie nicht ein einziges Wort kannte.
    Bis dieses Geräusch die Synapsen ihres Gehirns erreichte. Es hörte sich an, als zerreiße jemand ganz langsam ein Stück Stoff. Mit einem Mal war in ihrem Kopf die Verbindung da

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