Das Skript
Gesicht mit den geplatzten Äderchen auf Nase und Wangen und die dürre Gestalt in den schlecht sitzenden Jeans und dem viel zu großen Sweatshirt betrachtete, war es noch der rein ästhetische Aspekt, der ihn abschreckte. Das änderte sich, nachdem Matthiessen Erdmann und sich selbst vorgestellt hatte und Lorth sie daraufhin musterte, als versuche er sich vorzustellen, wie sie nackt aussah. »Ja, ja, ich weiß, Sie hatten ja schon telefonisch angekündigt, dass Sie mich stören werden. Auch wenn’s mir ein Rätsel ist, was die Kripo von mir möchte, noch dazu an einem Sonntag. Also, nun kommen Sie schon rein, damit wir die Sache hinter uns bringen.«
Das hatte genügt, Erdmann wusste, dass er Lorth als Person nicht ausstehen konnte. Und das war etwas völlig anderes als bei Christian Zender: Der ging ihm nur auf die Nerven. »Wir können
die Sache
auch gerne auf dem Polizeipräsidium hinter uns bringen, Herr Lorth«, knurrte er, was sein Gegenüber zu einem erneuten, ebenso missglückten Versuch eines Lächelns veranlasste. »Ach, so gleich … böser Polizist. Ist ja schon gut, ich will nichts gesagt haben. Also bitte, kommen Sie rein.«
Erdmann warf ihm im Vorbeigehen einen langen Blick zu und hoffte, der Kerl würde ihm ansehen, dass es besser war, seine unverschämte Art schnell abzustellen.
In der Wohnung stank es. Besonders penetrant war der Geruch nach kaltem, abgestandenem Rauch, was auch kein Wunder war. Erdmann entdeckte auf den ersten Blick zwei überquellende Aschenbecher, einen auf dem hölzernen Couchtisch neben einem halbvollen Wasserglas und einer zerknitterten Zigarettenschachtel, den anderen auf einer der Marmorfensterbänke. Er war sicher, in dem Glas befand sich kein Wasser. Der Mann war Alkoholiker, das hatte er auf den ersten Blick gesehen. Er kannte die äußerlichen Anzeichen und den Geruch, den diese Menschen aus allen Poren verströmten.
In einer Ecke dudelte ein riesiger Flachbildschirm vor sich hin. Abgesehen von den Aschenbechern, wirkte das geräumige Wohnzimmer einigermaßen aufgeräumt. Es gab mehrere schmale Bücherregale, die alle bis auf den letzten Zentimeter vollgestopft waren.
»Leben Sie alleine hier?«, fragte Erdmann, während er sich auf einen Sessel der mit Veloursstoff bezogenen Couchgarnitur setzte. Matthiessen ließ sich auf dem zweiten Sessel nieder. Auf der Couch selbst lag eine zerknüllte Wolldecke. Lorth knautschte sie noch mehr zusammen und setzte sich daneben. »Warum? Finden Sie meine Wohnung unordentlich?«
»Beantworten Sie doch bitte unsere Fragen nicht mit Gegenfragen«, sagte Matthiessen. Wahrscheinlich hatte sie Erdmann angesehen, dass dieser Kerl ihn mächtig aufregte.
»Ja, ich lebe hier allein im Sinne von: Die Wohnung läuft auf meinen Namen, und es ist mein Haushalt.« Es klang beleidigt und so tuntenhaft, dass Erdmann überlegte, ob Lorth vielleicht bewusst provokant schwul tat. »Aber manchmal übernachtet meine Freundin hier.«
So viel also dazu.
»Möchten Sie Name und Adresse von ihr? Größe und Gewicht?«
»Später vielleicht. Wir möchten Ihnen erst ein paar Fragen zu Christoph Jahn stellen.«
Lorth sah Matthiessen ungläubig an und stieß ein gezwungenes Lachen aus. »Jahn? Meine Güte, ich hätte nicht gedacht, dass nach dem noch mal irgendwann jemand fragt.« Er fingerte eine Zigarette aus der fast leeren Packung, steckte sie an und blies den Rauch knapp an Erdmann vorbei. »Wird dieser Fall etwa wieder aufgerollt? Hat man seine DNA nachträglich irgendwo gefunden? So was gibt’s ja öfter. Ich hab schon immer gesagt, der Kerl hat Dreck am Stecken.«
Erdmann schob mit einem Finger den übervollen Aschenbecher ein Stück weiter auf Lorth zu. »Sie denken, Christoph Jahn hat die Frau in Köln umgebracht?«
»Das habe ich nicht gesagt, aber ich halte es durchaus für möglich. Dieser sogenannte Autor würde doch alles tun, damit seine Bücher sich verkaufen. Davon abgesehen, ist dafür auch einiges nötig.«
»Immerhin hat er nach dieser Sache in Köln mit dem Schreiben aufgehört, weil er es nicht ertragen hat, dass ein Mensch nach seiner Beschreibung umgebracht worden ist.«
Lorth stieß ein kurzes, bellendes Lachen aus. »Weil er es nicht ertragen hat? Jahn hat mit dem Schreiben aufgehört, weil wir keine Bücher mehr von ihm veröffentlichen wollten. Und auch kein anderer Verlag dieser Welt.«
»Moment, verstehe ich Sie richtig?«, fragte Matthiessen. »Seine Bücher gefallen Ihnen nicht?«
»So kann man es höflich
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