Das Skript
hatte das komplett vergessen.«
»Also gut, daran lässt sich jetzt nichts mehr ändern. Wir müssen wieder los. Ach, und bevor ich es vergesse: Von der Verbindung dieser Verbrechen zu Ihrem Roman, Herr Jahn, dürfen die Medien noch nichts erfahren, verstehen Sie?«
»Ist gut«, sagte Jahn. »Ich weiß zwar nicht, warum man die Öffentlichkeit außen vor lässt, schließlich könnten wertvolle Hinweise eingehen, aber das geht mich nichts an. Da ist im Übrigen noch etwas. Wenn es der Täter genau nimmt mit der Romanvorlage, dann sieht der Keller, in dem er die ersten drei Frauen so lange gefangen hält, bis er ihre Haut braucht, absolut genau so aus wie meiner hier im Haus. Ich habe ihn in
Das Skript
eins zu eins beschrieben. Im Roman ist es der Kellerraum eines alten Fabrikgebäudes. Heike hingegen wird im Keller eines alten, unbewohnten Hauses festgehalten.« Und leiser fügte er hinzu: »Der Täter wird auch eine der Frauen dort töten. Vor Heikes Augen. Und diese Studentin wird er auch in diesen Raum sperren. Er braucht sie für die restlichen Kapitelnummern, für die … für die Heikes Haut nicht ausreicht.«
Erdmann hatte bemerkt, dass Matthiessen zusammengezuckt war. Nun machte sie einen Schritt auf Jahn zu. »Wie haben Sie Frau Kleenkamp gerade genannt? Heike?«
»Ähm, ja, warum?«
»Kennen Sie sie?«
Jahn schien verwundert. »Ja, aber … sagte ich das nicht? Ich … Ihr Vater, Dieter Kleenkamp, hat mich mal für eine Lesung im Verlagsgebäude der HAT eingeladen, das war ganz am Anfang, als ich nach Hamburg kam. Es war die letzte Lesung, die ich gemacht habe. Anschließend waren wir zusammen zum Essen. Wir fanden uns sympathisch und haben uns danach noch öfter getroffen. Er war auch schon einige Male hier, manchmal auch zusammen mit Heike. Deshalb war ich doch so geschockt, als Sie mir davon erzählten. Ich dachte, das hätte ich erwähnt.«
Erdmann hätte vor Wut schreien können und musste um Beherrschung ringen. »Ich weiß nicht, was mit Ihnen los ist, Herr Jahn, aber ich finde es sehr seltsam, dass Sie uns ganz entscheidende Dinge bisher nicht gesagt haben. Sie sind doch Krimiautor. Wie würde wohl der Ermittler in Ihren Romanen auf jemanden reagieren, der sich verhält wie Sie?«
»Hm …« Jahn machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich glaube, diese Person wäre höchst verdächtig.«
»Können wir bitte Ihren Keller sehen?«, fragte Matthiessen schnell, bevor Erdmann noch etwas darauf erwidern konnte. Jahn nickte.
Die Tür zur Kellertreppe befand sich im Eingangsbereich des Hauses. Miriam Hansen zog es vor, oben zu bleiben, und so stieg Erdmann zwischen Jahn und Matthiessen hinab. Er nahm sofort den muffigen, modrigen Geruch wahr, der typisch war für ältere Keller, in deren Mauern sich im Laufe der Jahre die Feuchtigkeit festgesetzt hatte. Die Treppe war schmal, die Wandfarbe auf der rechten Seite an manchen Stellen abgeblättert. Die Flecken sahen aus wie Inseln in einem trüben Meer. Die nackte Glühbirne, die etwa in der Mitte des Kellers an einem kurzen Kabelstück von der niedrigen Decke hing, war nicht nur zu schwach, sondern zudem dermaßen eingestaubt, dass ihr diffuser Lichtschein nicht bis in die hinteren Ecken des verhältnismäßig großen Raumes reichte. Dort verschwammen alle Konturen zu einem dunklen Brei. Einzig die Wand gegenüber der Treppe war halbwegs deutlich zu erkennen. Sie war mit Regalen zugestellt, in denen verstaubte Dosen, Kisten und Kästchen sowie allerlei undefinierbarer Plunder herumlagen. Hier und da konnte Erdmann auf dem Boden einige Karton- und Kistenstapel erkennen, durchsetzt mit irgendwelchen Gerätschaften, Werkzeugen und Ähnlichem. Manche dieser Gebilde wirkten wie skurrile Gestalten aus einem Horrorfilm.
»Das also ist der Ort des Schreckens«, sagte Jahn feierlich, als sie am Fuße der Treppe standen, wobei Erdmann den Kopf ein wenig einziehen musste, um nicht mit den Haaren die schmutzige Decke zu berühren. Matthiessen löste sich von ihnen und ging nach links in den Raum hinein. Sie kam allerdings nur ein paar Meter weit, dann gab sie einen Schmerzenslaut von sich und stieß gleich danach einen Fluch aus.
»Was ist los?« Erdmann war mit ein paar schnellen Schritten bei ihr und sah, dass sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Stirn rieb. Die Ursache dafür war ein etwa besenstieldickes Metallrohr, das direkt hinter ihr unterhalb der Decke verlief. »Oh, Vorsicht, da befindet sich ein Heizungsrohr ziemlich tief unter der Decke«,
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