Das Skript
Respekt.« Das Wort
ihr
hatte er dabei wie unbeabsichtigt betont. Er wartete einen Augenblick, in dem Stohrmann ihn mit verkniffenem Gesicht ansah, dann stand er auf. »Wenn Sie sonst im Moment nichts mehr haben …«
»Nein. Gehen Sie.«
Matthiessen kam ihm auf dem Weg zum Einsatzraum entgegen, ihr Telefon in der Hand. Mit fragendem Blick blieb sie vor ihm stehen. »Was ist los? Warum schaust du so finster drein?«
»Ach, nichts«, schwindelte er. »Ich habe einfach das Gefühl, wir drehen uns permanent im Kreis und kommen keinen Schritt weiter. Das geht mir auf die Nerven.«
Sie schürzte die Lippen. »Das sehe ich anders. Zumindest haben wir einige Ungereimtheiten, aus denen sich was ergeben wird, wenn wir sie klären. Und den Besuch von Frau Jäger fand ich auch sehr interessant.«
»
Wenn
wir sie klären können.« Er zeigte auf das Telefon in ihrer Hand. »Hast du schon telefoniert?«
»Ja, sogar schon zweimal. Erst habe ich mit einem Kollegen vom Observierungsteam gesprochen. Jahn hat das Haus den ganzen Vormittag über nicht verlassen. Dann habe ich bei ihm selbst angerufen, aber es ging niemand ran. Entweder er hat einen sehr festen Schlaf, oder er ignoriert Anrufe in der Mittagszeit.«
»Oder er unternimmt wieder einen Spaziergang, den niemand mitbekommen hat.«
»Das glaube ich nicht. Er kann das Haus nicht unbeobachtet verlassen.«
»Und nun? Fahren wir zu ihm?«
»Gleich. Zuerst unterhalten wir uns noch mal mit Stohrmann. Ich bin gespannt, was er zu alldem zu sagen hat. Und ich spreche ihn auf die Observierung von Lorth und Lüdtke an.«
»Ich bin sicher, wenn wir Lorth, Lüdtke und Jahn zusammenbringen würden, könnte die Begegnung auch sehr interessant werden.«
»Ja, aber vorher reden wir mit Jahn alleine. Ich habe das Gefühl, er weiß viel mehr, als er zugibt. Vielleicht sehr viel mehr.«
»Das denke ich allerdings auch. Vor allem nach dem, was wir gerade gehört haben. Und weißt du, was ich mittlerweile noch denke? Er hat schon hinter der Sache in Köln gesteckt und Glück gehabt, dass diese Frau ihm ein Alibi gegeben hat. Jetzt ist ihm das Geld ausgegangen, und weil er einmal damit durchgekommen ist …«
»Ich weiß nicht, ich traue ihm das nicht zu. Das meinte ich auch nicht, als ich sagte, dass er mehr weiß, als er uns sagt. Ich glaube, dass er mehr über Lorth und Lüdtke weiß. Die haben auch schon an dem Kölner Mord gut verdient.« Ihre Stimme hatte einen ungewohnten Klang angenommen, fand Erdmann, sie klang … grimmig. »Wie auch immer, einer dieser drei hängt ganz tief in der Sache drin, da bin ich mir ziemlich sicher.«
»Ich mir auch«, erwiderte Erdmann. »Mindestens einer.«
XII
Zuvor
Der Anblick der Frau hatte etwas in ihr ausgelöst, etwas, das ihren Verstand zurückkehren ließ. Sie wurde sich wieder ihrer Umgebung bewusst, und auch ihrer Situation. Aber mit dem Bewusstsein kamen auch andere Dinge zurück. Die fremdartige Angst um ihren Verstand, um ihr Leben. Die Erinnerung an die Dinge, die mit ihr geschehen waren. Die Ahnung um das, was als Nächstes passieren würde, als das Monster die nackte, an den Händen gefesselte Frau an ihr vorbeizerrte. Sie konnte ihre weit aufgerissenen Augen sehen, in denen das blanke Entsetzen stand. Sie sah auch, dass die Frau am ganzen Körper unkontrolliert zitterte, während das Monster sie vor sich herstieß.
Ihr fiel auf, dass die Frau ihr im Vorbeigehen nicht ins Gesicht gesehen hatte. Nein, sie hatte auf ihren Rücken gestarrt. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Was hatte die Frau dort gesehen? Wie schlimm war das, was – Klirrende Geräusche hinter ihr lenkten sie ab. Sie ahnte, was dort gerade passierte. Und mit dieser Ahnung empfand sie so etwas wie Erleichterung. Das Monster schien die Frau an der Wand anzubinden, an der auch sie schon gestanden hatte.
Die andere Frau, die vor ihren Augen getötet worden war, bei der sie hatte zusehen müssen, wie das Monster sie verstümmelte … sie hatte eine Schlinge um den Hals gehabt, und sie war auf die Liege gelegt worden, während
sie selbst
an der Wand stand und dem schrecklichen Geschehen nicht entkommen konnte. Das bedeutete, das Monster würde der Frau wahrscheinlich nicht …
Auf die Liege, auf der sie jetzt lag … Während sie an der Wand gestanden hatte, an der die Frau jetzt stand
. Konnte das nicht auch bedeuten, dass nun die Rollen vertauscht waren? Holte sich das Monster nun ihre Haut?
Sie nahm all ihre Kraft zusammen und hob den Kopf ein Stück an,
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