Das Skript
wissen, und er musste sich zugestehen, dass er das mit einer gewissen Schadenfreude tat.
»Ach, Dirk … der ist im Moment nicht so gut auf mich zu sprechen. Amicus certus in re incerta cernitur. In der Not erkennst du den wahren Freund.«
»Hatten wir den Spruch nicht schon? Sie lassen nach.«
»Also, wir gehen jetzt zu Herrn Jahn. Unsere Kollegen da vorne am Streifenwagen warten auf Sie, sie bringen Sie nach Hause.«
»Aber –«
»Nein«, sagte Erdmann bestimmt. »Kein Aber. Wir gehen da rein, Sie fahren nach Hause. Und wenn Sie Glück haben, können wir Herrn Jahn sogar davon abbringen, Sie wegen Hausfriedensbruchs anzuzeigen. Aber das hängt auch davon ab, wie kooperativ Sie sich jetzt zeigen. Also – Auf Wiedersehen.« Nach einem letzten, kurzen Zögern, wandte Zender sich schließlich ab und ging mit hängenden Schultern zu dem Streifenwagen und den dort wartenden Polizisten.
Christoph Jahn öffnete die Tür schon, als sie noch ein paar Meter vom Eingang entfernt waren. Man konnte ihm den Ärger über Zenders Verhalten deutlich ansehen. Aber da war auch noch etwas anderes, das Erdmann auffiel, das er aber nicht benennen konnte.
»Haben Sie den Mann verhaftet? Was manche Leute sich herausnehmen. Sie hätten mal hören sollen, wie der mit mir geredet hat.«
»Er wird gerade von zwei Kollegen weggebracht, Herr Jahn«, erklärte Matthiessen. »Wir würden uns gerne noch mal mit Ihnen unterhalten. Dürfen wir reinkommen?«
»Ähm … ja, kommen Sie.« Jahn machte den Eingang frei und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Erdmann fand, er sah blass aus und wirkte sehr nervös, und er fragte sich, ob Zenders Besuch der Grund dafür war.
Helga Jäger war nicht zu sehen. Jahn erklärte auf Matthiessens Nachfrage, sie sei zum Einkaufen gefahren und schon einige Zeit unterwegs.
»Was wollte Herr Zender eigentlich von Ihnen?« Erdmann legte seinen Notizblock vor sich auf den Couchtisch.
Jahn rieb die Hände gegeneinander und begann dann, seine Finger zu kneten. Er erschien Erdmann wie ausgewechselt. Aus dem relativ ruhigen Mann war ein Nervenbündel geworden. »Er sagte, er sei ein Freund dieser Studentin, Nina, und er müsse mir Fragen stellen. Ich habe ihm gesagt, dass ich nichts weiß und dass er gehen soll. Da wurde er gleich unverschämt und hat mir gedroht, wenn ich ihm nicht helfen wolle, würde er einen Leserbrief an die HAT schicken, an Dieter Kleenkamp persönlich, und darüber berichten, dass ich als Autor von
Das Skript
mich weigere, in dem Fall zu helfen. Der würde das sicher in der HAT abdrucken, es ginge ja auch um seine Tochter. Da habe ich die Tür geschlossen und bei der Polizei angerufen.«
»Herr Jahn, es gibt einige Dinge, über die wir mit Ihnen sprechen möchten«, übernahm Matthiessen. »Zuerst müssen wir etwas klären, das für uns sehr wichtig ist, weil es dabei um Glaubwürdigkeit geht. Um
Ihre
Glaubwürdigkeit. Es betrifft die Informationen über den Fall, die an dieses Boulevardblatt gegangen sind.« Sie machte eine Pause, in der sie Jahn ansah. Der beendete das Kneten seiner Finger und zuckte mit den Schultern. »Ja, ich gebe es ja zu.«
Also doch.
»Sie wissen doch selbst, wenn die es nicht von mir erfahren hätten, dann von jemand anderem. Außerdem gibt es überhaupt keinen Grund, die Öffentlichkeit nicht zu informieren. Im Gegenteil, Sie hätten es selbst öffentlich machen müssen. Schließlich sind Sie auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen, das wissen Sie.«
»Sie haben uns heute Morgen also bewusst nicht die Wahrheit gesagt.« In Matthiessens Stimme klang gerade so viel Vorwurf mit, dass es sich nicht nach Belehrung anhörte. Erdmann kritzelte ein paar Sätze auf den Block. »Woher wollen Sie eigentlich wissen, dass wir keinen Grund dafür hatten, die Informationen zurückzuhalten, Herr Jahn?«
Ein erneuter, nervöser Blick zur Armbanduhr. »Sie haben mir keinen genannt. Ich habe Ihnen ja gleich gesagt, dass ich nicht verstehe, warum Sie die Öffentlichkeit außen vor lassen wollen.«
»Haben Sie noch einen Termin?«
»Ähm … nein, also nicht direkt einen Termin. Ich wollte eigentlich gleich noch weg.«
»Aha. Wohin?«
»Ach, Recherche. Für meinen neuen Roman.«
»Darf ich fragen, wo und mit wem?«
»Mit niemandem. Ich sagte ja schon, es ist keine Verabredung. Ich möchte sehen, wie die Sonne zu einer bestimmten Uhrzeit an einer bestimmten Stelle steht und wie die Schatten dort fallen. Ich möchte bei der Beschreibung eines Ortes keine Fehler
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