Das Sonnenblumenfeld
oben von der Strömung bis nach Torre de li Saraceni treiben.
Sie blieben im Wasser, bis sich die Haut an den Fingern runzelte und sie vor Kälte mit den Zähnen klapperten. Dann legten sie sich in den glühenden Sand, um sich aufzuwärmen. Sie erzählten sich, was in der Woche passiert war.
Nach dem Reden kam der Wunsch zu schweigen. Sie schlossen die Augen, und während die Möwen am Himmel schrien, streiften sich ihre Finger gedankenverloren.
Kurz vor eins kehrten sie zurück zur Bushaltestelle. Sie küssten sich auf die Wange, und dann stieg Lorenzo in den Bus und winkte ihr zu, bis der Bus in die Felder abbog und er sie nicht mehr sehen konnte.
Oft wurde es spät, weil sie so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen wollten. Dann nahm Lorenzo ihr Fahrrad und fuhr so schnell er konnte zur Bushaltestelle. Und kaum im Bus, ging er zum Fenster ganz hinten und schickte ihr mit den Fingerspitzen einen Kuss.
So hatten sie jeden Sonntagvormittag verbracht, seit Caterina gehört hatte, wie er die Tammorra schlug. Seit sie ihre Schwäche für ihn entdeckt hatte.
Lorenzo hätte sie gern öfter gesehen, aber Caterina war mit der Mutter und den kleinen Geschwistern in Roccelle am Meer, den Sommer über, die Unter
künfte waren dort noch nicht so teuer. Der Vater kam nur am Wochenende nach Roccelle, er arbeitete für Mino Calasetta, den Bauunternehmer, und an Arbeit mangelte es nie auf den Baustellen.
Lorenzo liebte das Meer, er hatte schwimmen gelernt, als er klein war. Aber seit sieben Jahren war er nicht mehr in die Ferien gefahren.
»Lorenzo, wollen wir uns nicht zwei Wochen am Meer gönnen?«, fragte sein Großvater jedes Mal, wenn sich der August näherte.
Aber Ferien bedeuteten nichts Gutes für Lorenzo. Denn in den Ferien waren seine Eltern verunglückt. Deshalb wollte er auch diesen Sommer im Dorf verbringen. Seinem Großvater in der Schusterwerkstatt helfen. Ihn samstags auf die Dorffeste begleiten, um die Musik zu hören. Und sonntags in den Bus steigen, um Caterina zu sehen.
Aber am letzten Sonntag in Roccelle war alles anders gewesen.
Die Hitze lag schwer über dem Meer und schnürte einem den Atem ab. Die Alten saßen seit sechs Uhr in der Früh unter der Pinie und fächelten sich Luft zu. Sie suchten Abkühlung, wo sie nur konnten.
Vom Muntagnone zogen dunkle Wolken herab, die schon von fern grollten. Lorenzo stieg schweißgebadet aus dem Bus. Aber nicht deshalb hatte Cate
rina das Gefühl, dass etwas anders war. Als sie das blaue Auge und die aufgeplatzte Lippe sah, wusste sie, dass sie sich nicht geirrt hatte.
Sie erschrak.
Sie wollte wissen, was passiert war.
Lorenzos Antworten waren völlig unsinnig.
Dass ihm ein Ast ins Gesicht geschlagen war.
Dass er vom Fahrrad gefallen war.
Dass sein Großvater ihm eine Ohrfeige gegeben hatte.
»Mè, Lorenzo, für wie blöd hältst du mich?«, fragte Caterina irgendwann.
»Männersache«, murmelte er, ohne sie anzuschauen.
»Wenn das Männersache ist«, antwortete sie wütend, »scher dich zurück ins Dorf, dann hast du hier nichts verloren.«
Er wollte nicht, doch schließlich rang sich Lorenzo dazu durch und sagte es ihr.
Es war am Abend vorher geschehen, als er sich vor dem Schlafengehen die Beine vertreten hatte.
Plötzlich hörte er, wie ihn jemand rief.
»Mè, Schusterjunge, buonasera .«
Er hatte sich in der Dunkelheit umgeschaut, dorthin, wo die Stimme herkam. Aber er konnte nicht erkennen, wer da sprach.
»Und deine Tammorra? Hast du die heute nicht dabei?«
Da erkannte er, wer es war.
Er reagierte nicht und ging weiter. Aber er wusste genau, dass es damit nicht getan war.
Dass der Fellone es nicht bei dummen Sprüchen belassen würde.
Der Abend vor dem Kuss
Fellone saß der Abend bei Caetano Corona quer. Zuerst hatte er gar nicht kapiert, was geschehen war. Eine Woche lang lief er Caterina nach, in der Hoffnung, seine Geschenke und Blumen könnten sie erweichen. Er war sogar nach Roccelle gefahren und war dort um sie herumscharwenzelt, und dort hatte sie ihm gesagt, sie wollte ihn nicht mehr sehen, weil sie einen anderen hatte. Da war er böse geworden.
Eine Abfuhr konnte Fellone nicht ertragen.
Erst einmal musste er herausfinden, mit wem Caterina zusammen war.
Das dauerte einen ganzen Monat.
Weil für ihn dieser Schusterjunge, der die Tammorra schlug, weniger wert war als Eidechsenscheiße.
An einem Samstagabend fing er ihn im Dunkeln ab.
Überzeugt, dass ein paar laute Worte reichten, um ihm einen
Weitere Kostenlose Bücher