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Das Sonnentau-Kind

Das Sonnentau-Kind

Titel: Das Sonnentau-Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Luepkes
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längst schon verstummt. Es war jetzt sehr still. Wencke überlegte, welche Geräusche wohl sonst in diesen Räumen zu Hause gewesen waren. Kinderlachen? Gemurmel während des Spielens? Weinen? Heimwehschluchzen? Alles war unvorstellbar.
    «Ich habe mich entschieden, die Kinder hierzubehalten. Holländer musste mit den Auftraggebern seines Vorgängers verhandeln. Ich zahlte pro Kind, und Sie müssen mir glauben, ich habe selten etwas so widerstrebend gemacht. Nicht wegen der Summe. Sondern wegen dem, was ich mir da zu kaufen schien. Zweiundzwanzig Menschenleben. In Holländer hatte ich einen Vertrauten, ich habe ihm in einer Schuldensache mal aus der Patsche geholfen, und er ist mir loyal zugetan wie kein Zweiter. Es gab keinen anderen Weg.»
    «Und damit haben Sie sich strafbar gemacht.»
    «Das war mir klar. Den Paragraphen nach bin ich nicht ein Stück besser als diese Bande, die die Kinder aus Rumänien verschleppt hat. Aber ich habe hier alles renoviert. Habe mich um besseres Essen, vernünftige Toiletten und alles, was Sie hier sehen, gekümmert. Das heißt: Holländer hat das getan, mit Hilfe von ein paar Leuten, deren Namen ich nicht kenne. Mir war klar, ich würde die Schulden, die ich mir mit der ganzen Aktion aufgehalst hatte, nie im Leben wieder loswerden, es sei denn …»
    Wieder verloren sich der Blick und die Stimme des Sebastian Helliger im Nirgendwo.
    «Es sei denn, Sie schickten die Kinder weiterhin zum Betteln …», ergänzte Wencke fast tonlos für ihn. Helliger nickte.
    Sanders, der schon die ganze Zeit regungslos im Türrahmen gelehnt hatte, stöhnte, als habe er Schmerzen. Er kniff die Augen zusammen und legte die Hand auf die Stirn. Es ging ihm wie Wencke. Er wünschte, er wäre ganz woanders. Er wünschte, er wäre niemals mit diesem Fall hier in Berührung gekommen. Ein Fall, bei dem die Grenzen zwischen richtig und falsch, zwischen gut und böse so verwischt waren, dass man das Gleichgewicht verlor, wenn man versuchte, darüber nachzudenken.
    Der Fall Aurel Pasat. Der Selbstmord des lebensmutigen Jungen, der diese Kinder hatte retten wollen und dann erkennen musste, dass sie vielleicht gar nicht auf einen wie ihn warteten. Dass sie ihrem Erlöser schon begegnet waren und dieser ausgerechnet ihr Kerkermeister war.
    Es war ein Grund. Ein wirklicher, verständlicher, passender Grund, weswegen Aurel Pasat hätte verzweifelt sein können.
    Und das destillierte Wasser? Die falsche Erde im Fahrradreifen? Egal, dachte Wencke, egal, warum und weshalb, ich glaube nun daran, dass es Selbstmord war. Und alles andere wird sich klären.
    Sebastian Helliger kam von sich aus auf das Thema. «Aurel hat das Lager gefunden. Er ist nur wegen der Kinder nach Deutschland gekommen. Der Zwillingsbruder seiner Freundin wurde verschleppt.»
    «Teresas Bruder.»
    «Ja, das nehme ich an. Dadurch ist Aurel auf die Sache gestoßen, und er hat nicht lockergelassen, bis er sie hier gefunden hat.»
    «Aber er hat Sie nicht verpfiffen.»
    «Nein, im Gegenteil. Mit meinem Einverständnis hat er sich um die Kinder gekümmert, hat Medikamente besorgt, mit ihnen gespielt. Ich nehme an, er hat verstanden, dass er den Kindern keinen Gefallen tun würde, wenn er sie rettete.»
    Sanders schaltete sich wieder ein. Während er sprach, drehte er einen Brummkreisel in den Händen. «Und mit dieser Wahrheit konnte er nicht in sein Land zurückkehren. Was hätte er Teresa sagen sollen? Also brachte er sich um.»
    «Ja, das glaube ich auch. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was er wohl machen würde, wenn seine Zeit abgelaufen war. Wir haben auch überlegt, ihm wenigstens Ladislaus zu überlassen, ausgestattet mit ein bisschen Geld, damit er seine Freundin besänftigen könnte. Es ist schrecklich, dass Selbstmord ihm als einzige Alternative diente, aber es erscheint mir irgendwie … verständlich.»
    «Aber seine Freundin reiste hierher, um sich zu rächen. An Ihrer Frau, Helliger, von der sie wahrscheinlich annahm, sie sei in den Fall verwickelt.»
    «Das glaube ich, ja!», sagte Helliger. «Haben Sie schon etwas von ihr gehört? Geht es ihr besser? Wird sie es schaffen?»
    Sanders zuckte die Schultern. «Wir sind hier schon eine ganze Weile im Gebüsch unterwegs und haben keine Handyverbindung, sind also ohne Kontakt zur Außenwelt. Deswegen können wir leider …»
    Lange war es weg gewesen, doch nun, als Sanders das Funkloch erwähnte, nahm es wieder von ihr Besitz, dieses ungute Gefühl, die Angst, was mit Emil war. Zwar

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