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Das soziale Tier

Das soziale Tier

Titel: Das soziale Tier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brooks
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Sie konnte das nicht gut. Sie würde jemanden anstellen müssen, der wirklich mit Ideen herumspielen konnte und der in der Lage war, wissenschaftliche Erkenntnisse in praktisch anwendbare Konzepte umzusetzen.
    Sie hörte sich um. Sie fragte befreundete Unternehmensberater. Sie verschickte massenhaft E-Mails. Sie postete eine Kurzmitteilung auf Facebook. Schließlich erfuhr sie über die Freundin einer Freundin von einem jungen Mann, der gut im Entwickeln von Ideen war, der verfügbar war und den sie sich vermutlich leisten konnte. Der Name dieses Mannes war selbstverständlich Harold.

Kapitel 12 Freiheit und Verantwortung
    In den ersten 18 Jahren seines Lebens hatte Harold einen genau strukturierten Erziehungs- und Bildungsprozess durchlaufen. Während seiner Kindheit war er außergewöhnlich intensiv beaufsichtigt, unterrichtet und angeleitet worden. Seine Aufgaben waren klar umrissen gewesen: gute Noten bekommen, immer vorne dabei sein und Erwachsene zufriedenstellen.
    Ms. Taylor hatte ein neues Interesse in ihm geweckt – die Liebe zu großen Ideen. Harold stellte fest, dass ihm welthistorische Theorien gefielen, und zwar umso mehr, je grandioser sie waren. Manchmal schwebte er so hoch oben in seinen Luftschlössern, dass man ihn mit einem Schmetterlingsnetz hätte jagen müssen.
    Auf dem College entdeckte Harold noch etwas anderes: Er konnte interessant sein. Es gab dort zwei verschiedene Status-Ordnungen. Zum einen die Ordnung bei Tage, wenn die Studenten es mit Erwachsenen zu tun hatten und alles daran setzten, um ihren Lebenslauf aufzupolieren und ihrem Mentor zu gefallen. In dieser Welt stach Harold nicht besonders hervor, denn hier war er von Studenten umgeben, deren Gespräche sich hauptsächlich darum drehten, wie viel Arbeit sie zu erledigen hatten.
    Aber zum anderen gab es auch noch die nächtliche Ordnung, ein rein studentischer Moshpit des Sarkasmus und des Sperma-bezogenen ordinären Humors. In diesem System zählten weltliche Erfolge nicht, und die soziale Anerkennung richtete sich danach, wie witzig jemand war.
    Harold und seine Freunde waren Stimmungsakrobaten. Sie konnten ausgelassene, ironische, affektierte und spöttische Nummern abziehen, aber auch selbstbezügliche, postmoderne Pseudo-Farcen. Nichts, was sie sagten, war je wörtlich gemeint, und um Zutritt zu ihrem Freundeskreis zu erhalten, musste man genau wissen, wie viele Schichten Ironie jede Gesprächsdarbietung umhüllte.
    Er und seine Freunde kannten die grausamsten und witzigsten YouTube-Videos vor allen anderen. Sie diskutierten über Filme der Coen-Brüder und die kulturelle Bedeutung der Serie American Pie. Sie waren kurz elektrisiert von der Open-Source-Software-Bewegung als einer neuen Form der gesellschaftlichen Organisation. Sie fragten sich, wer die optimale Höhe des Ruhmes erreicht habe: Brad Pitt oder Sebastian Junger? Sie hielten jene Musik für gut, über die zu reden mehr Spaß macht, als sie zu hören – intellektuelle Neo-House-Music und reflektierten Retro-Electro-Funk. Sie kultivierten jene verrückten Obsessionen, wie sie nur nach monatelangem, nicht mit der Erledigung von Schularbeiten verbundenem Internetsurfen entstehen können. Und alle interessierten sich für den radikalen niederländischen Verkehrsplaner Hans Monderman.
    In anderen Generationen diskutierte die Campus-Avantgarde über die Filmkritikerin Pauline Kael und die Bedeutung der Filme von Ingmar Bergman, aber Harold und seine Freunde gingen davon aus, dass die Technologie größere gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen würde als die Kunst oder kulturelle Produkte. Sie stiegen vom iPod aufs iPhone um und weiter aufs iPad, und wenn Steve Jobs eine iWife entwickelt hätte, hätten sie am Tag der Markteinführung geheiratet. Sie waren nicht nur early adopter, also Anwender der jeweils neuesten technologischen Errungenschaften, sie waren auch early discarder, also diejenigen, die jede modische Innovation sausen ließen, sobald sie Einzug in den Mainstream hielt. In der achten Klasse lag ihre Titan-Halsketten-Phase hinter ihnen, und im College hatten sie die Schnauze voll von skurrilen Möbeln. Sie spotteten über Jungs, die Kaugummi-Automaten im Retrolook in ihren Zimmern hatten, wobei Harold es witzig fand, wenn ein Freund einen Flugzeug-Servicewagen als Hausbar benutzte.
    Harold war bei diesen Hipness-Wettkämpfchen recht gut, insgesamt aber wurde er von seinem Mitbewohner in den Schatten gestellt. In seiner Bewerbung um ein Zimmer im

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