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Das soziale Tier

Das soziale Tier

Titel: Das soziale Tier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brooks
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man selber reagieren würde, wenn man seinen Posten hätte. Er hatte ein Gespür dafür, was die Teams draußen in den Straßen leisteten und was sie nicht leisten konnten.
    Koch war kein Mann der hochfliegenden Pläne. 6 Er war eher jemand, der stetige Veränderungen im Kleinen vornahm. Sich selbst verstand er als eine Art treuhänderischen Verwalter, der etwas Wertvolles geerbt hatte und sich nun um dieses Erbe kümmert. Er wollte sicherstellen, dass er es nicht vermasselte. Ich erinnere mich daran, dass er Peter Druckers altem Rat folgte. Jedes Mal, wenn er eine Entscheidung traf, schrieb er für sich selbst eine Notiz, in der er die von ihm erwarteten Folgen dieser Entscheidung skizzierte. Neun Monate später holte er sie hervor und las sie erneut, nur um festzustellen, ob er sehr danebengelegen hatte. Er wollte aus jedem einzelnen Fehler möglichst viel lernen.«
    Raymond schwelgte noch ein bisschen weiter in derartigen Erinnerungen. Er übte keine offene Kritik an Taggert und seinem Team. Er entschuldigte sich wiederholt dafür, dass er ein altmodischer Gefühlsmensch sei. Er wurde nicht müde, zu sagen, dass man die Vergangenheit natürlich nicht zurückholen könne, doch dass der Gegensatz zwischen dem Elan, den das Unternehmen früher besessen habe, und der kraftlosen Atmosphäre, die jetzt vorherrsche – nun, dass dieser Unterschied zu schmerzlich sei, als dass man ihn einfach ignorieren könne.
    Erica versuchte die emotionale Atmosphäre, die Raymond geschaffen hatte, zu erhalten. Ihr Stil war das eigentlich nicht, normalerweise war sie gern der Hitzkopf im engen weißen Hemd. Aber Raymond hatte einen milderen Ton vorgegeben.
    Sie sagte, sie und eine Gruppe von Kollegen hätten sich zusammengetan und Brainstorming betrieben, und sie hoffe, dass einige ihrer Ideen für Taggert und sein Team hilfreich sein könnten. Sie begann mit den finanziellen Aspekten. »Wir haben unter anderem sehr intensiv darüber gesprochen, wie wichtig Liquidität ist«, sagte sie. »Man bezahlt seine Rechnungen mit Bargeld. Wenn man Geld auf der Bank hat, kann man ein oder zwei unerwartete Schläge wegstecken.« In den letzten Jahren aber habe das Unternehmen seine Barreserven nach und nach ausgeplündert. Man habe manchmal den Eindruck, dass die gegenwärtige Führungsmannschaft der Ansicht sei, Barreserven seien etwas für Feiglinge und Schulden seien ein Zeichen von Wagemut. In den letzten Jahren habe das Unternehmen einen Schuldenberg angehäuft, um eine Akquisition nach der anderen zu tätigen.
    Dann sprach sie über die Unternehmensstruktur. Sie sei so kompliziert, dass man kaum wisse, wer wofür verantwortlich sei. Es sei selten, dass jemand in der Firma sagen könne »Ich bin für x verantwortlich«, weil sich die Verantwortlichkeit in jedem Fall auf eine mehrgliedrige Entscheidungskette verteile. Der Brunch Club, sagte sie, habe eine paar Ideen, wie man dies vereinfachen könne.
    Dann sprach sie über die Strategie. Sie äußerte die Vermutung, dass das Unternehmen möglicherweise auf selbstzerstörerische Weise hyperaktiv sei. Menschen, die auf einer Pferderennbahn mit Wetten Geld verdienten, würden auch nicht bei jedem Lauf wetten. In Wahrheit würden sie nur selten wetten, und nur dann, wenn sie glaubten, etwas zu wissen, das ihnen einen Vorteil verschaffe. Warren Buffett pflegte zu sagen, dass das meiste Geld, das er im Lauf seines Lebens verdient habe, von weniger als zehn Entscheidungen herstamme. Daraus lässt sich die Lehre ziehen, dass Führungskräfte im Verlauf ihrer Karriere nur einige wenige richtig gute Ideen haben werden und keine weitreichenden strategischen Entscheidungen treffen sollten, wenn diese nicht auf sehr soliden Erkenntnissen basieren.
    Anschließend zerlegte Erica die Gewinnströme des Unternehmens. Sie wies darauf hin, dass das Kabelgeschäft selbst noch immer recht gut laufe. Wenn da nur nicht all die anderen Geschäftsfelder wären, die auf dieses draufgesattelt worden waren. Vielleicht wäre es Zeit, sich auf das wunderbare Kerngeschäft der Firma zurückzubesinnen.
    Es wäre vielleicht eine gute Idee, die Anzahl der Telekonferenzen zu reduzieren und die persönlichen Kontakte auszubauen. Der größte Teil der Kommunikation ist physisch – er läuft über Gesten, nicht über Worte. Die Kommunikation über einen Bildschirm ist immer problematisch; man versteht seine Gesprächspartner oft nicht richtig, und es ist schwer, Ideen und Pläne mit ihnen zu teilen. Es sei möglicherweise

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