Das soziale Tier
Beschäftigten blickten erwartungsvoll auf Raymond und Erica, hoffend, diese Abweichler würden sie vor dem Absturz bewahren. Taggert und sein Team dagegen sahen geringschätzig auf sie herab, sofern sie überhaupt Notiz von ihnen nahmen. Für sie war das lediglich ein aufsässiger Haufen von Verlierern und Nieten.
Ericas Hauptproblem bestand zu diesem Zeitpunkt darin, dass ihr die passende Gelegenheit fehlte. Die Gruppe hatte ihre Vorschläge fertig ausgearbeitet. Sie hatten ein 25-seitiges Memo aufgesetzt, das ein Resümee ihrer gemeinschaftlichen Expertise war, doch nun gab es keine günstige Gelegenheit, um es zu präsentieren. Sie konnte es lediglich an ihre Vorgesetzten verschicken, aber diese würden es nicht weiterreichen, sondern in der Schublade verschwinden lassen. Sie hätte es einer Fachzeitschrift zuspielen können, aber damit hätte sie gegen Raymonds Forderung verstoßen, »keine verdeckten Operationen« durchzuführen.
Zum Glück kam ihnen die göttliche Vorsehung zu Hilfe. Eines Tages witzelte Jim Cramer, der Gastgeber einer CNBC -Talkshow, in aller Öffentlichkeit darüber, dass Intercom den Bach runtergehe. Er nahm eine ihrer Kabelboxen, zertrümmerte sie in der Sendung und versuchte sie tatsächlich Stück für Stück in einem Klosett hinunterzuspülen, das er am Set aufgestellt hatte.
Nicht immer führen solche spektakulären Aktionen zu gewaltigen Kursbewegungen, aber diese traf einen Nerv. Am nächsten Tag kam es zu einem regelrechten Ausverkauf der Aktie. Der Kurs, der vor einigen Jahren noch bei 73 Dollar gelegen hatte, fiel an einem Tag von 23 auf 14 Dollar.
Taggert spürte, dass er in Anbetracht dieses Sturms die Flucht nach vorn würde antreten müssen. Er war überzeugt, dass ein öffentlicher Auftritt von ihm selbst genügen würde, um das Vertrauen wiederherzustellen. So kündigte er einen »Chancen-Gipfel« an. Er lud den Vorstand und die Mitglieder des Aufsichtsrats dazu ein und ließ die Konferenz webcasten, damit auch die Wall-Street-Analysten sie verfolgen konnten. »Wir wollen reden, aber auch zuhören«, sagte Taggert, als er die Veranstaltung erläuterte. »Wir wollen unsere Pläne präsentieren, aber auch Ihre Kritik und Ihre Anregungen hören. Dies ist eine lernende Organisation, und wir wollen uns gemeinsam weiterentwickeln.« Das genügte Erica als Einladung. Sie bat Raymond, er solle sich bei dieser Veranstaltung zu Wort melden und ihre Vorschläge unterbreiten. Raymond, der entweder ängstlich oder gerissen war, sagte, er würde das nur tun, wenn sich Erica ebenfalls zu Wort melde und ihn unterstütze.
Die Veranstaltung wurde in einem Theater in der Innenstadt abgehalten. Taggert und sein Team saßen im grellen Scheinwerferlicht auf der Bühne, alle anderen im Dunkeln im Parkett. Das war ihre Vorstellung von einer »Aussprache«. »Ich möchte, dass Sie wissen, dass ich sehr zufrieden damit bin, wo das Unternehmen heute steht«, begann Taggert seine Ansprache. »Ich hatte von jeher ein sehr gutes Gespür dafür, wie Wachstum generiert werden kann, und ich bin sicher, dass dieses Unternehmen in naher Zukunft ein exponentielles Wachstum verzeichnen wird. Wir haben das beste Führungsteam in den Vereinigten Staaten, die besten Mitarbeiter und das beste Sortiment! Ich widme mich also jeden Tag mit großer Begeisterung meiner Arbeit.
Als ich diese Position antrat, habe ich mir vorgenommen, dieses Unternehmen zu einem wachstumsstarken Spieler zu machen. Mir wurde klar, dass die alten Methoden nicht mehr funktionierten. Wir mussten die alten Vorschriften über Bord werfen, uns auf kontinuierlichen Wandel einschwören und einen beispiellosen Wachstumsschub erzeugen. Dies bedeutete, dass wir die Wertschöpfungskette von Grund auf neu gestalten und die Standardverfahren umkrempeln mussten. Wir konnten uns nicht länger den Luxus gestatten, die Hände in den Schoß zu legen und von anderen zu lernen.
Als wir diesen riskanten Weg einschlugen, wussten wir, dass diese Strategie, von außen betrachtet, vielleicht schwer nachzuvollziehen sein würde. Wir wussten, dass es externe Erfolgskriterien gibt, die diejenigen in die Irre führen würden, die den Weg, den wir eingeschlagen haben, nicht verstehen. Es würde wohlmeinende Kritiker geben, die von ihrem Standpunkt aus den langfristigen Wachstumspfad nicht erkennen würden. Aber wir haben unsere eigenen Erfolgskriterien konzipiert, und ich bin heute hier, um Ihnen mitzuteilen, dass wir jede einzelne Sollvorgabe erreicht oder sogar
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