Das spanische Erbe
uns zwar gerade erst kennengelernt, aber ich habe das Gefühl, als könnten wir Freundinnen werden.”
Annalisa blickte zu Boden. Sie fühlte sich furchtbar.
“Natürlich sind wir oft getrennt”, sagte Margarita leise. Sie schien nicht bemerkt zu haben, wie verlegen die Frau ihr gegenüber war. “Bei Ihnen muss das nicht so sein, Annalisa. Ich bitte Sie herzlich: Bleiben Sie hier.”
Diese schüttelte energisch den Kopf. “Ich muss die Insel verlassen.”
Margarita blickte sie traurig an. “Sie machen einen furchtbaren Fehler. Ramon liebt Sie.”
“Es tut mir so leid …”
“Wieso sollte es das?”, fragte die elegante Frau erstaunt und trank einen Schluck Kaffee.
“Ihre Tochter …”
“Was hat Aurelia denn damit zu tun?”
War es in der High Society üblich, es mit der Treue nicht so genau zu nehmen? Anders konnte Annalisa sich Margaritas Verhalten nicht erklären. “Ich muss los, sonst verpasse ich noch meinen Flug.”
“Dann habe ich versagt. Wie schade für Ramon und auch für mich! Ich bin so einsam …” Tränen begannen, ihr die Wangen herunterzulaufen, und sie zog ein Taschentuch hervor und trocknete sie.
“Das sollten Sie mit Ihrem Mann besprechen. Ich kann Ihnen nicht helfen.”
Margarita schüttelte verzweifelt den Kopf. “Wenn er bei mir ist, bin ich die glücklichste Frau auf Erden. Und jetzt, da ich wieder schwanger bin …” Sie begann zu schluchzen.
Annalisa schämte sich so und wäre am liebsten im Erdboden versunken. “Das ist doch gut, oder?”, fragte sie schließlich heiser.
“Natürlich!” Die Spanierin lehnte sich wieder zurück. “Wir freuen uns sehr. Aber ich möchte alles mit ihm teilen. Aber ich sehe, dass Sie mich nicht verstanden haben. Wenn mein Mann zurückkommt, werde ich das Baby schon zur Welt gebracht haben.”
“Ramon fährt weg?”
“Ramon?”
Irgendetwas stimmt hier nicht, dachte Annalisa stirnrunzelnd. “Sie haben ihm doch von dem Kind erzählt, oder?”
“Selbstverständlich.”
“Wie kann er dann …?”
Margarita nahm Annalisas Hand. “Sie müssen mit ihm reden. Bitte! Ihnen wird er zuhören.”
“Nein! Das können Sie nicht von mir verlangen.”
“Sie sind meine letzte Hoffnung.” Wieder schluchzte sie auf. “Dieses Rennen ist viel zu gefährlich …”
“Welches Rennen?”, fragte Annalisa neugierig. Irgendwie erinnerte sie sich dunkel, schon einmal davon gehört zu haben.
“Die Regatta rund um die Welt.” Margarita schien erstaunt zu sein, dass Annalisa anscheinend nichts davon wusste. “Wenn Ramon es verbietet, ist alles in Ordnung. Falls nicht, wächst mein Baby vielleicht auf, ohne seinen Vater kennengelernt zu haben.”
“Moment”, unterbrach Annalisa sie. “Ich soll also mit Ramon sprechen. Was soll das bringen? Und vor allem: Was soll ich ihm sagen?”
Margarita blickte ihr in die Augen. “Ganz einfach. Erklären Sie ihm, dass ich genauso fühle wie er … Auch ich liebe … Bitten Sie ihn, seinen Bruder von dieser Dummheit abzuhalten. Luis soll zu Hause bleiben, bei mir und seinen Kindern!”
6. KAPITEL
D anach ging alles sehr schnell. Margarita erledigte die Formalitäten am Flughafen mit einem Lächeln, und wenig später saß Annalisa neben ihr in der Limousine mit den getönten Scheiben.
Eigentlich bin ich froh, dass sich alles aufgeklärt hat, dachte sie immer noch staunend. Sie freute sich schon wieder auf ihr gemütliches Heim und ihre vielen Tiere. Was Ramon anging: Sie hatte ihn völlig falsch eingeschätzt, und das tat ihr leid. Aber das war jetzt egal. Wichtig war nur, die Finca zu retten. Alle persönlichen Angelegenheiten mussten so lange zurückstehen. Und wahrscheinlich wollte Ramon sowieso nichts mehr mit ihr zu tun haben …
“Schließen Sie die Augen”, befahl Margarita, als der Chauffeur die Abzweigung erreichte, die zu Annalisas Haus führte.
“Warum?”
“Lassen Sie sich überraschen.”
Annalisa gehorchte und wartete gespannt.
“So! Jetzt können Sie sie wieder öffnen.”
Der Fahrer parkte den Wagen vor dem Haupteingang, und Annalisa stieg aus und blickte sich um. “Ich verstehe nicht … Was soll das?”
“Die berühmten Orangenhaine der Finca Fuego Montoya heißen Sie willkommen, Señorita Annalisa”, antwortete Margarita und verbeugte sich leicht.
Annalisa glaubte, ihren Augen nicht trauen zu können. Kleine Gruppen von Männern waren eifrig damit beschäftigt, das Haus und die Nebengebäude zu streichen und zu renovieren. Im Obstgarten waren unzählige
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