Das spanische Erbe
“Lass Vergangenes endlich ruhen, Annalisa, bevor es auch noch dein Leben zerstört.”
“Ich kann aber nicht so einfach vergessen.”
“Das sollst du auch gar nicht. Lerne aus den Fehlern deiner Eltern, und baue darauf etwas Neues auf. Du wirst einmal eine sehr gute Mutter sein.”
“Wie kommst du darauf?”
“Du hast die Finca so liebevoll restauriert …”
Sie schüttelte den Kopf. “Ach was! Ich habe nur einige Blumen hingestellt und sauber gemacht.”
“Du hast beinahe jedem streunenden Tier ein Zuhause gegeben und viele neue Jobs für die Dorfbewohner geschaffen. Die jungen Leute haben plötzlich eine Perspektive und müssen sich nicht auf dem Festland Arbeit suchen.”
Das war ja alles gut und schön, aber das wollte sie nicht von ihm hören. Es kam ihr beinahe so vor, als bereitete er sie schon auf ein Leben als alleinerziehende Mutter vor! “Was hat das denn mit dem Baby zu tun?”
Er kam zu ihr und nahm ihren Arm. “Unterschätz dich nicht, Annalisa. Du hast Mut, bist mitfühlend und fürchtest dich nicht vor harter Arbeit.”
Sie befreite sich aus seinem Griff. “Ich habe nur das getan, was nötig war.”
“Und dein Vater hat dir dazu die Gelegenheit gegeben. Deswegen hat er die Finca nicht verkauft, sondern dir hinterlassen. Er wollte, dass du finanziell unabhängig bist und dein Leben so gestalten kannst, wie du es willst. Dein Vater hat das nie gekonnt. Er hat dich geliebt, Annalisa.”
“Hör auf damit, Ramon!”, rief sie und wollte sich abwenden.
Doch er hielt sie zurück. “Lauf nicht vor deinen Gefühlen davon. Es wird Zeit, sich ihnen zu stellen. Die Finca …, die Orangenhaine … Pedro Fuego Montoyas Enkel wird später einmal alles erben, und das ist gut so.” Seine Stimme war voller Wärme, und Annalisa spürte, wie die Mauer, mit der sie sich umgeben hatte, langsam ins Wanken geriet. “Halt dein Glück mit beiden Händen fest, Annalisa, und lass dich nicht beirren. Du erwartest ein Baby, und das ist die schönste Sache der Welt.”
Das kann ja sein, dachte sie, aber er hat immer noch nicht die Worte gesagt, die ich so gern hören möchte … Welche Rolle würde Ramon in ihrem Leben und in dem ihres Kindes spielen? Er hatte ihr geraten, auf Vergangenem aufzubauen. Gut, das wollte sie tun, und zwar ohne sich von Gefühlen leiten zu lassen. “Du hast recht. Ich werde meiner Tochter oder meinem Sohn die Finca hinterlassen. Und deswegen wirst du sicher auch verstehen, dass ich dir meinen Strandabschnitt nicht verkaufen kann.”
Er ließ sie los und nickte. “Das ist durchaus in Ordnung. Wir werden uns schon irgendwie einig.”
“Was ist mit dem Wasser?”
“Das bekommst du”, erwiderte Ramon und schien mit den Gedanken ganz woanders zu sein. “Müssen wir eigentlich jetzt unbedingt übers Geschäft reden?”
“Natürlich”, sagte sie kühl. “Ich werde Mutter, schon vergessen? Ich muss die Zukunft meines Kindes sichern.”
“
Unseres
Kindes.” Er zögerte einen Moment. “Wenn du irgendetwas brauchst, Annalisa, sag mir Bescheid.”
“Kann ich trotzdem noch für dich arbeiten?”
Er betrachtete sie nachdenklich. “Sicher. Solange du willst.”
Sie rang sich ein Lächeln ab, drehte sich dann um und ging hinaus. Eins war ihr klar: Sie hatte einen Pyrrhussieg errungen, der ihr nichts außer Leid einbrachte. Zu allem Überfluss würde sie Ramon auch noch beim Bau seines Hotels helfen und ihn oft sehen – allerdings nicht so, wie sie gehofft hatte. Sie hatte sich um alles gebracht, was ihr lieb und teuer war, und es würde sicher nicht lange dauern, bis sie es bitter bereute.
10. KAPITEL
A nnalisa blickte das Telefon anklagend an. Ramon hatte sie seit ihrem gestrigen Gespräch viermal angerufen, um die Einzelheiten des Vertrages mit ihr durchzugehen, den die Anwälte vorbereiteten. Er hatte sich einverstanden erklärt, ihr gegen eine kleine Gebühr Wasser zu überlassen, wenn sie im Gegenzug noch einmal über den Verkauf des Strandes nachdachte. Wenn sie es genau überlegte, war es ein kleiner Preis, den sie für das blühende Leben auf der Finca zu zahlen hatte.
Nicht einmal hatte Ramon ihr ein Treffen vorgeschlagen.
In diesem Moment klingelte das Telefon wieder. Sie blickte es an und spürte, wie ihr die Tränen kamen. Ungeduldig wischte sie sie weg. Das Überleben ihrer Finca hing zwar von Ramons Kooperation ab, aber sie konnte ihr Kind allein großziehen. Dafür brauchte sie ihn nicht!
Als sie den Hörer abnahm, war es bereits zu spät. Der
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