Das spanische Medaillon
Verlauf der göttliche Prinz Louis Ferdinand im Zweikampf mit dem Quartiermeister des 10. Französischen Husaren-Regiments, Jean-Baptiste Guindey, tragisch unterlag!]
Herr von Schlotheim, wo hielten Sie sich am Nachmittag des 9. Oktober auf?Am Kulm, einem Muschelkalkrücken nördlich der Stadt Saalfeld, um selbigen nach Pflanzen und Versteinerungen zu durchforsten. Seit Anfang August bereits füllte ich Botanisiertrommel und Geologensack, denn Rezentes und Fossiles findet sich dort reichlich durchmischt nebeneinander: Österreichischer Lein, Duft-Schotendotter, Golddistel, Scharfer Mauerpfeffer, Echte Kugelblume, Gamander-Ehrenpreis, Echte Zwergmispel, Knack-Erdbeere, Acker-Hornkraut und Dürrwurz-Alant. Es wimmelte nur so von Orchideen, für die der Kulm berühmt: Kleines Knabenkraut, Brand-Knabenkraut, Herbst-Wendelorchis, Wanzen-Knabenkraut ...
Ihre Profession ist uns bekannt. Nur berichten, was uns interessiert!Natürlich, ich bitte um Vergebung. Dennoch muss ich bemerken, dass es vor allem die Erwartung der besagten Spezies war, ganz gleich ob Blatt oder Blüte, auch im Herbst noch durchaus zu unterscheiden, die mich in jene Region lockte und daselbst festhielt, obwohl sich die französische Armee durchaus bereits bemerkbar machte. Ich hatte an besagtem Tag schon Blattreste der Hummel-Ragwurz gefunden, der Korallenwurz, Großen Händelwurz, Braunroten Sitter, des Purpur-Knabenkrauts, der Fliegen-Ragwurz, des Zweiblatts ...
Bitte sich einzuschränken! Was begegnete Ihnen darüber hinaus am fraglichen Tag?
Sicher, ich begegnete französischen Milizen fast genauso oft wie Roten Waldvögelein und wurde allseits scheel beäugt und kontrolliert. Doch hat mich die Präsenz der Soldaten nicht besonders gestört. Die Franzosen sammelten sich auf den unteren Hängen gegen das Saaletal hin.
Haben Sie die Franzosen unserer Avantgarde gemeldet?
Nein, denn ich bin Geologe und kein Soldat. Hätte ich mich als Melder betätigt, hätte ich schwerlich meine Aufgabe an diesem Nachmittag erfüllen können! Ich sammelte munter Helm-Knabenkraut, Nestwurz, Bleiches Waldvögelein, Frauenschuh, Rotes Waldvögelein, Kriechendes Netzblatt, Sumpf-Sitter, Breitblättrigen Sitter ...
Halt, halt – das Protokoll wird keiner Akademie vorgelegt! Sie werden es schwerlich als Beleg Ihres Primats bei der Recognoscierung spezieller Kräuter verwenden können!
Kräuter? Aber ich bitte Sie, das sind doch keine Kräuter, von denen ich sprach! Das Breitblättrige Knabenkraut – ein Kraut? Sicher, die umgangssprachliche Bezeichnung mag Sie zu diesem Irrtum verleiten, daher sollte ich besser die lateinischen Namen hersetzen: Orchis morio, orchis ustulata, orchius choriophora ...
Müssen sehr ersuchen!
Musste auch sehr suchen! Die Breitblättrige Kuckucksblume, die Fuchssche Kuckucksblume – etwa Kräuter? Die Weiße Waldhyazinthe? Orchideen sind’s, mein Herr! Orchideen! Die Orchideen oder Orchideengewächse (Orchidaceae) sind eine weltweit verbreitete Pflanzenfamilie. Die zwei hodenförmigen Wurzelknollen der Knabenkräuter (von griechisch orchis, »Hoden«) haben der gesamten Pflanzenfamilie ihren Namen gegeben!Bitte fahren Sie fort, Herr von Schlotheim. Haben uns wohl verstanden ...Nachdem ich einer französischen Patrouille, der ich verdächtig vorkam, meinen Passeport vorgewiesen und mich zudem sowohl durch meine vor zwei Jahren erschienene »Beschreibung merkwürdiger Kräuter-Abdrücke und Pflanzen-Versteinerungen« als auch durch einen Brief des vom Kaiser der Franzosen so hoch geschätzten Aimé Bonpland als harmlosen Wissenschaftler hatte ausweisen können, stellte mir der Lieutenant der Avantgarde Boncourt einen zusätzlichen Permiss aus, mich auf dem Gebiet des Aufmarsches aufzuhalten, allerdings mit der Vorgabe, mich nicht zu weit vom Plateau in Richtung auf die unteren Hänge hin zu bewegen. Schon aus Besorgnis um meine eigene Sicherheit habe ich mich an diese Vorgabe gehalten.
Bitte zum Punkte zu kommen!
Nun, es durchzieht ein Graben die Flanke des Kulm, etwa eine Viertelmeile unterhalb des Gipfels, doch sicher zwanzig Minuten steilen Kletterns von diesem entfernt. Hat man ihn erreicht, so gelangt man in weniger als einer Stunde bis an die besagten unteren Abhänge zur Saale hin. Ich wollte dort nur ein wenig in südöstlicher Richtung traversieren, um wieder auf den Steilhang hinauszusteigen, doch schon nach wenigen Schritten fand ich mich einer Szene gegenüber, wie sie keiner unserer romantischen Nationaldichter je
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