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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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über den Auftrag des unglücklichen Gélieu berichten.«
    Jérôme begleitete den König in dessen Arbeitszimmer, während ich bei der Königin sitzen blieb. Meinen Ausführungen, den zu gründenden Frauenturnverein betreffend, schien sie zwar mit Anteilnahme, aber doch mit eher geringem Interesse zu lauschen:
    »Das hört sich sehr verlockend an. Ein Tanzverein vielleicht? Doch ich glaube«, sie senkte die Stimme zu Grabesdüsternis, »liebste Freundin, das Land scheint zur Zeit von ganz anderen Fragen beherrscht zu werden!«
    Ich stellte mich dumm, denn ich fürchtete nichts mehr, als die ohnehin von Kränklichkeit und Trübnis Geplagte durch martialische Gespräche zu schwächen.
    »Sich als Frau besser zu bewegen sollte an der Spitze aller unserer weiblichen Anliegen stehen!«
    Aber das Thema, das ganz Berlin in Atem hielt, duldete nun einmal kein anderes neben sich. Sie sagte:
    »Ach, Sie Teuerste! Sie müssen sich nicht verstellen. Alle Welt fürchtet, ebenfalls den Kopf zu verlieren. Dieses schreckliche Kopfabhacken! Derlei deuchte mich nur in Frankreich noch in Mode zu sein. Ich habe neulich gar von Experimenten mit abgeschlagenen Köpfen gehört! Das war übrigens auch unser erster Gesprächsgegenstand, wenn Sie sich entsinnen?«
    Ich entsann mich durchaus. Es war auf einer lustigen Kutschfahrt, als die damalige Kronprinzessin darüber spekuliert hatte, ob der Kopf nach dem Köpfen noch etwas wahrnehme ... 1
    »Es wirkt fast so, als wollte dieser unbarmherzige Gott, dass es noch unser letztes Thema sei!«
    »Majestät! Wie können Sie nur an das Ende denken? Sie sind jung und voller Lebenskraft!«
    Ich wollte ihren Gedanken eine hellere Richtung geben, doch das gelang mir nicht.
    »Eine alte Frau hat mir die Zukunft gedeutet. Sie sagte, dass ich nur einmal noch reisen würde ... Was soll denn das bedeuten? Ich reise doch für mein Leben gern! Zum Beispiel will ich möglichst bald, sobald es Frühling wird, meinen Vater besuchen, ich freue mich schon so sehr darauf! Als er an Weihnachten hier war, da haben wir es fest verabredet.«
    »Es wird ein wunderschöner Frühling und ein noch herrlicherer Sommer für diese Reisen, da bin ich ganz gewiss. Sie sollten, Majestät, gar nichts auf das Geschwätz der Sterndeuter geben. Die sagen Ihnen für Geld alles, einerlei, ob wahr oder falsch.«
    Mir lag so viel daran, sie glücklich und hoffnungsfroh zu sehen, denn ich hatte stets den Eindruck, dass von der Stimmung unserer Königin die Zuversicht des ganzen Landes mitbestimmt werde. Doch sie kam wieder auf das dunkle Hauptthema zurück.
    »Es ist ein echtes Morden, das hier betrieben wird. Was sagen Sie dazu? Was hatten Sie an den Tatorten zu schaffen?« Das klang so, als verdächtigte sie mich, der Sache nachgeholfen zu haben.
    »Durch Zufall war ich dreimal ganz in der Nähe, als es geschah.«
    Sie musterte mich eindringlich.
    »Das ist ein eigenartiger Zufall, finden Sie nicht?«
    »Sie haben recht, das ist durchaus eine besondere Reihe von Koinzidenzen. Doch ohne mein Interesse wäre ich nur an zwei der drei Orte gewesen. Es ist immer ein Zusammenspiel von Verbrechen und Aufmerksamkeit.«
    »Und doch: Finden Sie es normal, dass ein und derselbe Täter so oft hintereinander ungehindert zuschlagen kann?«
    Es lag mir auf der Zunge zu sagen, dass dies kein Wunder sei angesichts der Trägheit unserer Polizei, die sich zwar des korrekten Ausfüllens von Formularen befleißige, aber viel zu wenig in der Sache unternehme, da sie doch offenbar überfordert sei ... Doch ich verschluckte es und nickte.
    »Zuschlagen ist ein sehr treffendes Wort, Majestät!«
    Sie wirkte beklommen.
    »Friewi hat Ihnen noch etwas mehr darüber zu sagen.«
    »Der König?«
    Ich war verwirrt. Waren die beiden – oder er allein? – vielleicht doch in Madame Bernards Tanzsalon gewesen und hatten etwas gesehen, was mir weiterhelfen konnte? Inkognito? Mit angeklebtem Bart? Der König hatte ohnehin einen Bart ... hatte er ihn sich abrasiert? Und trug ihn jetzt angeklebt?
    Aufs Stichwort erschien er, an der Seite des seltsam bleichen Jérôme, verneigte sich leicht gegen seine Frau und sagte zu mir mit ernster Miene:
    »Marquise – müssen, unter uns ... habe Ihnen etwas zu sagen, sehr ernste Angelegenheit. Ihren Mann ebenfalls eingeweiht – streng vertraulich, kann mich auf Sie beide ja verlassen!«
    Ich sah fragend von einem zum anderen, Jérôme schien mir äußerst betroffen. Weshalb diese Geheimniskrämerei? Die Königin entließ mich mit

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