Das spanische Medaillon
geschlagenen Armee am 28. Oktober 1806 bei Prenzlau durch den Obristen Christian von Massenbach in seinen »Historischen Denkwürdigkeiten«. Zweiter Teil, zweite Abteilung, zweiter Abschnitt, pag. 222 ff.
[...]
Kaum hatten wir den Lindenberg zwischen Schönermark und Gustow erreicht, als scharf sehende Augen feindliche Trupps auf den Höhen seitwärts von Prenzlow, also in der Gegend von St. Georg und Grunow, und auf der von Templin kommenden Straße entdecken wollten.
Alle Perspektive wurden in Requisition gesetzt; man konnte aber auch, vermittelst dieser Perspektive, noch keine ganz sichere Entdeckungen machen, weil ein Heerrauch die Höhen hinter Prenzlow bedeckte.
Dass sich einzelne französische Dragoner oder Chasseurs in der Gegend von Naugarten und Gollmitz, also ganz in unserer rechten Flanke, zeigten, das sah man nur allzu deutlich.
Wir setzten unsern Marsch fort; das Leibregiment hatte die Avantgarde. Man sah in der Entfernung am Eingange von Prenzlow ein großes Getümmel und man hörte ein fürchterliches Geschrei. Indem ich so, von gewaltigen Empfindungen bestürmt, immer fortritt, kam ich auf eine kleine Höhe, hielt einen Augenblick still und sah in plötzlicher Klarheit der Luft den Feind in der Stadt.
Ich hatte mich von den anderen entfernt, um bei meiner Aufklärung so wenig Aufsehens wie möglich zu machen. Indem ich mich an die Tore annähern wollte, ritt ich die Flanke eines Hügels hinab und kam an einen Zaun vor einer halb verfallenen Scheune, an der zwei Pferde angebunden waren. Das eine war ein preußisches, das andere ein französisches, ich sah es an den Brandmarken.
In der Absicht, herauszufinden, wer sich da mit wem so seelenruhig angesichts des Kampfes unterrede – denn nach einer Unterredung sah dies Treffen für mich aus –, saß ich ab und band meinen Gaul ebenfalls an. Ich vermutete eine geheime Absprache zwischen Offizieren und war darauf gefasst, einen Überläufer zu stellen. Es war eines unserer Hauptprobleme, sie liefen zu den Franzosen über wie die Hasen!
Der Hunger und die schlechte Verpflegung, der mangelnde Nachschub waren schon die ganzen Wochen über eines unserer Hauptthemen gewesen und ich setzte insgeheim schon wieder eine Denkschrift auf, um diesen Übelstand auf das Allerdeutlichste anzuprangern.
War es nicht genug, dass es den Männern an Schlaf mangelte? 32 Stunden waren wir nun ohne Pause marschiert! Es fehlte keineswegs an Möglichkeiten zu futtern. Doch es wurde ja nirgends gehalten. Es fehlte zum Futtern schlicht an der Zeit. Dass darüber hinaus die Taschenmunition knapp war, steht auf einem anderen Blatt ...
Durch eine dunkle Öffnung gelangte ich hinein. Eine Tür gab es nicht mehr, Reste hingen abgefault an den verwaisten Angeln. Drinnen war es totenstill und dunkel. Aus einem angrenzenden Raum vermeinte ich Stimmen und Bewegungen zu erahnen, doch als ich innehielt, um besser hören zu können, verstummten die Geräusche.
»Wer ist’s?«, sprach ich laut und fügte, in Erwartung eines »Wer fragt?«, gleich meinen Namen hinzu, denn die Zeit erschien mir viel zu knapp für solche Exkurse: »Obrist Massenbach, auf Kundschaft, gesandt vom Fürsten Ingelfingen! Zeigt Euch!«
Ich erhielt keine Antwort. Daher drang ich langsam weiter vor. Meine Augen waren noch recht blind vom Dunkel. Erst allmählich nahm der Raum vor mir Gestalt an. Bis auf etwas Heu, das den Boden bedeckte und an der einen Seite aufgeschüttet war, war er leer. Im Dämmer entdeckte ich seitlich eine Mauer mit einem weiteren Durchgang. Ich trat darauf zu. Vermeinte, ein schwaches Rascheln aus dem Dunkel vor mir zu vernehmen.
In dem Augenblick, als ich mich der Öffnung bis auf Haaresbreite genähert hatte, wurde ich zurückgestoßen und durch einen heftigen Schlag vor die Brust zu Boden gestreckt, glücklicherweise in weiches Heu fallend. Der Herausstürmende, der mich so jäh über den Haufen gerannt hatte, war bereits am Durchschlupf nach draußen.
»Kamerad!«, schrie ich. »Komm her und stell dich! Es soll dir nichts geschehen, denn du hattest sicher Angst, erwischt zu werden!«
Ich nahm an, dass es der Preuße war, der gleich zur Flucht ansetzte, denn nur er könnte mich verstehen. Ich wollte mich aufrappeln und zum Degen greifen, da kam er zurück ... Ich kann meine Bestürzung kaum ausdrücken, die mich befiel, als ich nur den schwarzen Umriss seines großen Kopfes über mir sah. Im Dusteren erkannte ich keine Einzelheit und es war mir, als stünde ich einem Schemen
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