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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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gegenüber. Ich hörte ein Lachen, dann war der Spuk rasch vorüber, denn wer immer es auch war: Er holte mit dem Sack aus, den er in beiden Händen gefasst hielt. Was darinnen lag, war hart wie eine Kohlrübe. Er traf mich auf die Stirn. Ich starrte noch einen Moment vor mich hin, dann verlor ich die Besinnung.
    Als ich wieder zu mir kam, spürte ich einen heftigen Schmerz im ganzen Haupt. Der Angreifer war verschwunden. Ich entsann mich noch des Bildes im Zwielicht, das mir zuletzt vor Augen gestanden, bevor es ganz dunkel geworden: Ein Sack mit etwas Schwerem darin flog über die rechte Schulter dessen, der mich eben damit außer Gefecht gesetzt ... Ich schleppte mich wankend nach draußen, wo ich neben dem meinen noch immer das Pferd des Preußen angebunden fand. Wie ging das zu? Hatten nicht beide nach meiner Überrumpelung die Flucht ergriffen? Ich musste noch einmal ins Dunkel, so schwer es mir in meinem angeschlagenen Zustand auch fiel.
    »Wer da?«, fragte ich, noch reichlich benommen, »erhielt aber keine Antwort.
    In der hinteren Kammer, in der die Unterredung stattgefunden haben mochte – denn bis zu diesem Zeitpunkt glaubte ich noch fest daran, eine solche gestört zu haben –, sah ich erst gar nichts, denn hier war ein dicker Haufen Heu in die Fensterhöhlung gestopft worden. Auf dem Weg, es zu entfernen, stolperte ich und schlug der Länge nach hin, was den Schmerz im Haupt zu einem Schmerz im ganzen Leibe werden ließ.
    Endlich hatte ich mich erneut aufgerafft und befreite das Lichtloch von seiner Verstopfung. Ich wendete mich, um mir das Hindernis am Boden anzusehen, das mich zu Fall gebracht. Der Anblick traf mich wie ein erneuter Schlag: Da lag ein Körper ohne Kopf! Eine Lache Blutes hatte sich um ihn gesammelt. Ich hatte mich selbst über und über damit besudelt.
    Meine Übelkeit unterdrückend und von bohrendsten Hauptwehen gepeinigt, suchte ich nach etwas, um dem namenlosen Leichnam wenigstens die Ehre der Person zurückzugeben. Ich fand einen Brief, von seiner angetrauten Ehefrau, der ihn als Johann Franz von Posset auswies.
    Ich habe im Trubel der Ereignisse – wenige Stunden später hat sich unsere Armee nach ausführlichem Abwägen zur Kapitulation entschlossen – nichts weiter für den Unglücklichen tun können, als ihm ein Begräbnis zu sichern. Der Adjutant des Prinzen Mürat persönlich versicherte mich, dafür Sorge zu tragen. Ob indes eine Nachsuche nach dem Übeltäter erfolgte, wie man mir versprach, konnte ich später nicht herausfinden. Er hatte sich das Haupt des Toten angeeignet und es entführt, wenn ich mit meinen Mutmaßungen nicht fehlte.
    [...]
    [Für die Richtigkeit der Abschrift: Meyer]
    Actum No. 4
    Auszug aus »Schills letzte Helden-Fahrt, Triumph und Ende. Von einem, der dabei gewesen«. Berlin, Haude und Spenersche Druckerei, 1811, pag. 36 ff.
    [...]
    Eine glückliche Wendung schien das Gefecht zu nehmen: Mit Erfolg ward der Angriff auf das Triebseer-Tor abgeschlagen, auch gegen das Franken-Tor nichts Bedeutendes vom Feind unternommen. Dann machte Schill den Fehler, auf die Ratschläge des Lieutenants von Brünnow und des Grafen Pückler zu pfeifen, die dazu rieten, die Kavallerie vorpreschen und auf die Feinde einhauen zu lassen. Schill hielt den Zeitpunkt für nicht gekommen, doch indem es unterblieb, konnten Ewalds Männer ungehindert die halbe Stadt umwandern und zum Knieper-Tor eindringen.
    Das war ganz nach der Absicht des General-Lieutenants Gratien. Ein geschmierter Bauer hatte ihnen die wunde Stelle verraten und so drangen die Dänen und Holländer im Rücken der Verteidiger nach Stralsund ein.
    In der Tat hatte Schill auf diesem Punkte einen ernstlichen Angriff am wenigsten erwartet; die Schanzarbeiten waren hier minder vorgerückt und meistens nur ungeübte Truppen zur Verteidigung aufgestellt. Die Landwehr warf das Gewehr weg und flüchtete zum Hafen. Das war der Anfang vom Ende. Und es sollte – ganz dem Spruch von Schill entsprechend – ein Ende mit Schrecken werden. Die überwältigte Infanterie zog sich eiligst in die Stadt zurück, von den Verfolgern unentwegt beschossen. Straße um Straße wurden die Unsren gegen den Markt getrieben wie Schlachtvieh.
    Als Schill am Triebseer-Tor von der veränderten Lage erfuhr, war es längst zu spät.
    »Wollt und könnte ihr euch retten, so rettet euch!«, ruft er unserem Lieutenant Trüschler zu – und uns Infanteristen, versteht sich! »Wollt ihr aber sterben, so sterbt mit mir!«
    Verdammt, man

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