Das spanische Medaillon
schreibt derlei so leicht hin und es wirkt nichts. Aber wie Schill es sagte, wirkte es alles. Kein Gedanke an Widerspruch, kein Gedanke ans Weiterleben. Wir folgten ihm, der sich durch das dichteste Gewühl zum großen Markte hin vorzukämpfen bestrebt war. Das Weitere weiß ich nur durch Erzählungen, denn wir konnten bei all dem Chaos nicht schnell genug weiterkommen, um bei unserem guten Schill zu bleiben! Die eigenen Leute, in kopfloser Flucht vor dem Feind, ließen sich nicht umdirigieren.
Schill also nahm seinen Weg durch eine enge Gasse, die aus der Knieperstraße bei der St. Johanniskirche vorbei nach der Fährgasse führt. Aber am Ausgange derselben hält in diesem Augenblicke ein Teil der dänischen und holländischen Generalität und lässt neue Truppen, die errungenen Vorteile mit Kraft verfolgend, durch das erstürmte Tor in die Stadt vor sich vorüberziehen; plötzlich stürzt, in gestrecktem Galopp, Schill aus dieser Gasse in jenen Haufen, wirft sich auf den holländischen General Carteret, haut ihn mit einem mächtigen Streiche vom Gaul (ein paar meinten, er habe ihm mit einem Hieb den Kopf abgeschlagen, doch das halte ich für eine Übertreibung!) und brüllt: »Hundsfurz, bestell droben schon mal Quartier für mich!« Er wendet und fängt sich prompt eine Kugel. Totenblässe überzieht des Tapferen Antlitz, schon schwankt er im Sattel, blutend von einem weiteren Streifschusse. Glücklich ist er noch durch das Gässchen gekommen, da bemerken ihn die Holländer und drücken auch auf ihn ab. Er fällt nicht; mehrere Jäger stürzen ihm nach, sie erreichen, umringen ihn und reißen jetzt den schon ermatteten Helden vom Pferde herunter.
Also starb, mit Hieben und Stichen reich bedacht, auf dem harten blutigen Pflaster der feigen Stadt Stralsund, in hoffnungsvollem Kampf für Deutschlands Freiheit: Oberst Ferdinand von Schill.
Das Ende der meisten unserer Offiziere war grauenvoll, wenn auch sehr ehrenhaft. Sie werfen sich in Todesmut den Feinden entgegen und kämpfen, ohne auf verlorene Arme und Beine zu achten, bis ihnen der Lebens-Odem entweicht. Sie alle besiegelten mit ihrem Tode die Anhänglichkeit an unsern Helden Schill.
Bis gegen zwei Uhr nachmittags währte der Kampf in der Stadt; da endlich gelang es der vereinigten Macht der Dänen und Holländer, sich derselben ganz zu bemächtigen und jeglichen Widerstand zu überwinden. Viele Häuser suchte die Raubsucht der Sieger heim; in Blut schwammen die Straßen, bedeckt mit den Leichen der gefallenen Krieger.
Ich stund, mit etwa vierzig anderen entwaffneten und gefangenen Kameraden und einer zehnfachen Menge Holländer und Dänen, die uns bewachten, vor dem Rathaus, wo unter den offenen Hallen auf einer Fleischerbank unser unglücklicher Anführer – der göttliche Schill – hingestreckt lag. Hierhin war der entseelte Körper im Triumphzug geschleppt worden!
Der Major von Parsenow, bei welchem Schill gewohnt hatte, sein eigener Bedienter, sein Reitknecht und mehrere andere Personen vermochten anfangs nicht, die Züge seines auf das Furchtbarste verstümmelten Antlitzes zu unterscheiden, bis endlich der Reitknecht an einem Merkmale, einer Zahnlücke, seinen Herrn erkannte. Und es wurde nun von einem Manne, den alle, die ich fragte, für einen Franzosen hielten, fachgerecht das Haupt vom Leib getrennt. Es geschah dies, während der Hochgewachsene und Muskulöse, bis zum letzten Moment in feierlicher Ruhe, ein gewöhnlich aussehendes Handbeil in die Luft streckte, um es schon im darauffolgenden Augenblicke mit zielsicherer Entschlossenheit herabsausen zu lassen. Dieser eigenartige Mann, sei er nun Metzger oder Chirurgus gewesen, erhielt auf der einen Seite der Schlachtbank seinen Lohn. Er trug ein Medaillon, das einer, der es aus der Nähe gesehen, als sehr wertvoll und alt erachtete. Es habe den heiligen Hieronymus gezeigt. Auf der anderen Seite wurde das Haupt unseres edlen Anführers aufgehoben und in ein Riesenglas mit Weingeist gelegt.
Später habe ich erfahren, dass man dieses fürchterliche Kleinod dem König Jérôme nach Kassel gesandt hat. Dieser vermachte ihn der Naturhistorischen Präparatensammlung der holländischen Universitätsstadt Leiden. Deren leitender Generalarzt hat immerhin die Pietät, des Königs Trophäe sorgfältig bedeckt zu halten und fast keinem zu zeigen.
Möge der Tag kommen, da wir das Haupt des Majors bei seinen restlichen Gebeinen begraben, die man in einem namenlosen Winkel des Knieperkirchhofes verscharrte.
Weitere Kostenlose Bücher