Das spanische Medaillon
Stolper Loch publikumswirksam das Leben zu nehmen.
Über die Raketenpost hat der echte Kleist eher spöttisch berichtet: »Entwurf einer Bombenpost. Man hat, in diesen Tagen, zur Beförderung des Verkehrs innerhalb der Grenzen der vier Weltteile, einen elektrischen Telegraphen erfunden; einen Telegraphen, der mit der Schnelligkeit des Gedankens, ich will sagen, in kürzerer Zeit, als irgend ein chronometrisches Instrument angeben kann, vermittelst des Elektrophors und des Metalldrahts, Nachrichten mitteilt; dergestalt, daß wenn jemand, falls nur sonst die Vorrichtung dazu getroffen wäre, einen guten Freund, den er unter den Antipoden hätte, fragen wollte: wie geht’s dir? derselbe, ehe man noch eine Hand umkehrt, ohngefähr so, als ob er in einem und demselben Zimmer stünde, antworten könnte: recht gut. So gern wir dem Erfinder dieser Post, die, auf recht eigentliche Weise, auf Flügeln des Blitzes reitet, die Krone des Verdienstes zugestehn, so hat doch auch diese Fernschreibekunst noch die Unvollkommenheit, daß sie nur, dem Interesse des Kaufmannes wenig ersprießlich, zur Versendung ganz kurzer und lakonischer Nachrichten, nicht aber zur Übermachung von Briefen, Berichten, Beilagen und Paketen taugt. Demnach schlagen wir, um auch diese Lücke zu erfüllen, zur Beschleunigung und Vervielfachung der Handelskommunikation, wenigstens innerhalb der Grenzen der kultivierten Welt, eine Wurf- oder Bombenpost vor; ein Institut, das sich auf zweckmäßig, innerhalb des Raums einer Schußweite, angelegten Artilleriestationen, aus Mörsern und Haubitzen, hohle, statt des Pulvers, mit Briefen und Paketen angefüllte Kugeln, die man ohne alle Schwierigkeit, mit den Augen verfolgen, und wo sie hinfallen, falls es kein Morastgrund ist, wieder auffinden kann, zuwürfe; dergestalt, daß die Kugel, auf jeder Station zuvörderst eröffnet, die respektiven Briefe für jeden Ort herausgenommen, die neuen hineingelegt, das Ganze wieder verschlossen, in einem neuen Mörser geladen, und zur nächsten Station weiter spediert werden könnte. Den Prospektus des Ganzen und die Beschreibung und Auseinandersetzung der Anlagen und Kosten behalten wir einer umständlicheren und weitläufigeren Abhandlung bevor ... Berlin, den 10. Okt. 1810« ( Berliner Abendblätter am 12. Oktober 1810, Text nach: Heinrich von Kleist: Sämtliche Werke und Briefe. Hrsg. von Helmut Sembdner. München/Wien: Hanser 1982, Bd. III, S. 385 f.).
Königin Luise 1806 an vorderster Front
1806, nachdem Friedrich Wilhelm III. von Napoleon ultimativ den Abzug der Grande Armée aus allen deutschen Landen gefordert und der Kaiser dieses Ultimatum ignoriert hatte, begannen die preußische und die napoleonische Armee einander an der Saale zu suchen. Die Königin folgte dem König im Tagesabstand, als er von Weimar aus nordostwärts zog. Napoleon ließ die Grande Armée saaleabwärts vorrücken, was König Friedrich Wilhelm III. und seinen Heerführer, den Herzog von Braunschweig, dazu bewogen hatte, mit dem Hauptheer über die Unstrut zu den Naumburger Saaleübergängen zu gehen. In Weimar befand sich nach wie vor das Große Hauptquartier – wiewohl von allen wirklichen Befehlshabern entblößt und nur noch von Etappenoffizieren sowie den Verwaltern des Krieges bevölkert, die etwa den Nachschub von Proviant und Munition zu dirigieren hatten. In der Nacht, in der die Königin mit ihrem Tross noch in der Musenstadt weilte, kampierten König, Herzog und circa 60000 Soldaten bereits im kalten Nebel vor einem Dorf namens Auerstedt. Fürst Friedrich von Hohenlohe-Ingelfingen stand derweil mit verbündeten Sachsen, 70 000 Mann hoch, bei Jena. Generallieutenant von Rüchel rückte im Eilmarsch mit seinen 13 000 aus Erfurt zur Verstärkung heran. Die Königin besuchte derweil eine Aufführung von Ifflands Jägern im Weimarer Hoftheater, das der Geheime Rath von Goethe noch immer mit Bravour leitete. Anschließend speiste sie allein mit der Herzogin Anna Amalia im Schloss.
War Goethe noch immer der glühende Napoleonanhänger? Eine kleine goldene Napoleonbüste stand bezeugtermaßen in einer seiner Sammlungsvitrinen. Auch hatte er dem Jenenser Professor Georg Wilhelm Friedrich Hegel Förderung angedeihen lassen – einem schwäbischen Gelehrten, der in diesen Tagen seine Phänomenologie des Geistes in einen Postkasten warf, in welcher er bekanntermaßen den Grandgoschier Napoleon mit dem zu begrüßenden, weil alles befriedenden »Ende der Geschichte« in eins setzte. Goethes
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