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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Hofmedikus riet dem König, seine Frau in Pyrmont die Kur trinken zu lassen, wohinein dieser auch einwilligte. Lange blieb die Königin im Bad, wo ihr glücklicherweise viele Bekannte und zahllose Schaulustige aus halb Europa Gesellschaft leisteten. König Friedrich Wilhelm III. vertrieb sich derweil in Berlin die Zeit zuletzt mehr schlecht als recht mit Bällen und Theaterbesuchen. Der König liebte es, wenn andere sprachen oder sangen und er selbst still bleiben durfte. Konzertsaal, Oper und Theater waren somit die Orte, an denen er sich am wohlsten fühlte. Kotzebues »Hasen von Warwickshire« wurden im Nationaltheater am Gendarmenmarkt gleich dreimal für ihn wiederholt, als Napoleon in Paris den Rheinbund schmiedete, der General wider Willen gar, in den Tagen, da der Gesandte General Ernst Friedrich Wilhelm Freiherr von Knobelsdorff in Paris mit Napoleon verhandelte. Friedrich Wilhelm litt unendlich unter der Trennung von Luise. Um ihr die Heimkehr zu versüßen, verwandelten seine Gärtner den staubigen Vorplatz von Schloss Charlottenburg in eine gepflegte, saftig grüne Rasenfläche. Am 1. August endlich kehrte sie heim. Sofort jagte wieder ein Berliner Ball den nächsten, ein Potsdamer Fest das andere. Das Königspaar besuchte den Fischzug in Stralau vom ersten bis zum letzten Tag und speiste mehrfach auf der Pfaueninsel. Trotz alledem aber schienen überall schon Blutstropfen auf den Grashalmen zu glänzen ... Seit dem Sonderfrieden von Basel 1795 hatte sich in den Beziehungen zwischen Preußen und Franzosen einiges verändert. Innerhalb eines Jahrzehnts war aus dem schwachen, hart bedrängten Frankreich die stärkste Macht in Europa geworden. Friedrich Wilhelm III. fand natürlicherweise Gefallen an der stillen Hochachtung, die der stärker und stärker werdende selbst gekrönte Kaiser Napoleon ihm zollte. Preußen besaß noch immer eine Sonderstellungfür ihn, verglichen mit den übrigen Staaten des zerfallenden Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Nach der umstrittenen Selbstkrönung im Jahr 1804 hatte die Grande Armée 1805 bei Ulm und Austerlitz über die Koalition von England, Österreich-Ungarn und Russland gesiegt – der Preußen nicht beigetreten war. Preußens Stillhalten war in aller Augen ein Votum für Frankreich und ein Affront gegen die neue antifranzösische Koalition England, Russland und Österreich gewesen. Nach dem Pressburger Frieden 1805 drängte Napoleon auf ein offenes Bündnis. Sein Angebot an Friedrich Wilhelm: Kaiser eines norddeutschen Reiches könne er werden, wenn er offen mit Frankreich paktiere. Hätte Napoleon König schon besser gekannt, hätte er vorausgesehen, in welch heillose Verwirrung er ihn damit stürzte. Dass der Kaiser sich nicht an den Friedensvertrag hielt und seine Truppen in Süddeutschland stationiert hielt, war für Luises Mann ein Grund zur Vorsicht. Da aus Berlin kein Jawort kam, rief der Franzosenkaiser den Rheinbund ins Leben. Schnelligkeit war Napoleons Triumph. Trotzdem hoffte er weiterhin, Friedrich Wilhelm noch zu einer Allianz überreden zu können. Wenn schon kein eigenes Nordreich, so könne dieser doch wenigstens einen norddeutschen Bund anführen? Klar, dass Preußen im Falle einer Verbindung so oder so an der Seite Frankreichs und des Rheinbunds würde Krieg führen müssen, Krieg gegen England und gegen Russland und gegen Österreich.
    Das Unvorstellbare geschah tatsächlich. Keiner hatte es mehr erwartet. Im Februar 1806 verbündete sich der preußische König nach langem Zaudern mit Napoleon. Ohne doch insgeheim die Brücken zu Russland ganz abzubrechen ... Die preußische Bevölkerung reagierte erfreut. An der Seite dieses siegreichen Molochs würde man endlich Frieden finden – das hoffte man. Bald hätte Napoleon ganz Europa erobert, dereinst vielleicht die ganze Welt. Da wäre es gut, ganz still an der Seite des Alleroberers zu stehen. Was die Jubilanten bei ihren Hymnen vergessen hatten, war der zu solchem Bündnis nötige Beitrag. Auch wenn der wilde Korse ein Faible für die Familie des Königs hegte – vor allem Friedrich Wilhelms Urgroßvater, der alte kleine harte König, hatte es ihm angetan –, so war es doch ein reines Zweckdenken, das ihn leitete. Im Juni 1806 hatten die preußischen Truppen Kurhannover besetzt und waren infolgedessen automatisch auch mit England im Krieg. Aus dem friedlich schlummernden Preußen wurde ein Wurmfortsatz der französischen Kriegsmaschinerie. Das Freundschaftsbündnis war noch nicht

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