Das Spektakel des Schreckens - Labyrinth der Geheimnisse ; 4
Blick auf ein kleines Zelt. Es war pechschwarz und duckte sich am Ende der Brücke in den Schatten eines Vordachs. Man konnte es leicht übersehen.
Über dem Zelt kräuselte sich eine Rauchfahne. Es hatte etwas Geheimnisvolles an sich. Jago machte seine Freunde sogleich darauf aufmerksam.
„Was ist das?“, wunderte sich Kresse. „Es steht gar kein Schild davor …“
Jago kniff die Augen zusammen. Ob sich dort hinten doch noch etwas Spannendes verbarg?
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Aus dem Zelt drang ein schriller Schrei.
Mit wirbelnden Rastazöpfen skatete Jago auf das kreisrunde Zelt zu. Es war mit mindestens zehn Leinen am Boden befestigt. Kresse und Phil liefen dicht hinter ihm.
Jago wollte schon hineinstürmen, da flüsterte Phil: „Lasst uns erst mal schauen.“
Als die drei durch einen Spalt in der Zelthaut spähten, mochte Phil seinen Augen nicht trauen: Drinnen stand eine erschreckende Gestalt. Sie war komplett in Schwarz gekleidet. Sogar das Gesicht verbarg sich unter einer Maske, die nur drei Schlitze für die Augen und den Mund freiließ.
„Eine Henkersmaske!“, entfuhr es Phil.
„Abgefahren“, murmelte Jago.
Außer dem Henker waren noch drei Mädchen im Zelt, alle drei blond und als Prinzessinnen verkleidet. Phil kannte sie aus der Schule. Sie gingen mit Kresse in die Parallelklasse.
„Das ist Josi“, flüsterte Kresse und zeigte auf das größte der Mädchen, das auch am meisten Glitzerpuder auf den Wangen trug. „Was macht die denn da?“
Aus Kresses Erzählungen wusste Phil, was von Josi zu halten war: Sie war die blödeste Zicke der Schule. Im Moment aber wirkte sie ziemlich hilflos. Wieso stand sie so seltsam verrenkt da?
Als Jago die Zelthaut noch etwas weiter aufzog, sah Phil, dass Josis langer Pferdeschwanz zwischen einem Tisch und einer Kurbel festklemmte.
„Donnerkraut und Doria! Du dumme Gans!“, schnarrte der Henker ärgerlich. „Ich sagte doch: Bleibt von meinen Instrumenten fern! Eine Streckbank ist doch kein Spielzeug.“
Phil stutzte. Die Stimme hatte er doch schon einmal gehört, aber wo?
Josi bewegte ihren Kopf wie wild hin und her, um sich zu befreien. Ihr Gesicht war wutverzerrt, ein silbernes Diadem hing ihr über der Stirn.
„Befreien Sie mich gefälligst – und zwar sofort! Sonst verpfeife ich Sie bei meinem Vater! Er ist nämlich Rechtsanwalt und wird Ihnen …“
Sie verstummte vor Schreck, als der Henker mit einer Hand ihren Pferdeschwanz packte. In der anderen blitzte eine Schere.
„Stillhalten!“, brummte er.
Josis Freundinnen schnappten erschrocken nach Luft.
Da fand Josi ihre Sprache wieder. „Neiiin!“, kreischte sie. „Wenn Sie es wagen, mir auch nur ein Haar abzuschneiden …“
Die Schere schnappte zu und ein paar blonde Strähnen landeten auf dem Boden.
Josis Freundinnen machten ein Gesicht, als wäre gerade jemand beerdigt geworden.
Josi selbst rückte langsam ihr Diadem zurecht. Dann sagte sie leise, aber deutlich: „Dafür werden Sie büßen.“
Sie wandte sich zum Gehen und schwang stolz den Rest ihres Pferdeschwanzes durch die Luft. Prinzessin Nummer zwei und drei folgten ihr bei Fuß. An Jago, Phil und Kresse schritten sie einfach vorbei, ohne sich zu einem Gruß herabzulassen.
Dafür bemerkte der Henker sie. „He, ihr da! Rein oder raus?“
„Na kommt schon!“, zischte Jago. Er schob Phil und Kresse mit seinem Skateboard ins Zelt.
Ein Kohlehaufen glühte auf einem Blech am Boden und beleuchtete ein ganzes Sammelsurium von Folterinstrumenten: Ketten, Zangen, dornige Riemen und ein Wagenrad, auf das eine Strohpuppe gespannt war.
„Willkommen in der Folterkammer. Ich hoffe, ihr seid nicht solche Memmen wie eure Vorgängerinnen“, begrüßte sie der Henker.
[ Lösung ]
„Nun? Welche Methode würdet ihr gern einmal am eigenen Leib erfahren? Du da …“, er tippte Kresse auf die Schulter, „willst du dich ein Weilchen auf meine Streckbank legen? Sagt man nicht immer, Kinder könnten gar nicht schnell genug wachsen?“
Kresse wich schluckend zurück.
„Wo haben Sie das alles her?“, fragte Phil.
Der Henker drehte sich zu ihm um. „Das geht dich nichts an!“ Plötzlich durchbohrte er Phil mit seinem Blick. „He, dich kenne ich doch!“ Als er sich nun die Maske vom Kopf zog, kam das faltige Gesicht eines alten Mannes mit einem struppigen Vollbart zum Vorschein. Auf seiner rechten Wange schlängelte sich eine Narbe.
„Herr Lunte!“, rief Phil überrascht. Jetzt wurde ihm klar,
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