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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Getuschel sich über alle Reihen fortsetzte, einige Studenten sich umdrehten und sie anstarrten.
    Warum holten sie ausgerechnet Robert? Sie alle waren auf der Party gewesen. Die einzige Erklärung war, dass die Sache mit Roberts Geschichte die Runde gemacht hatte und die Collegeleitung ihn dazu nun befragen wollte.
    Was, wenn er das Falsche sagte? Ihr Bruder war ein totaler Freak, wenn er überzeugt war, im Recht zu sein. Sie hatte ihn nicht überreden können, in Zukunft zu lügen. Dann wenigstens was die Vergangenheit betrifft, hatte sie ihn vor ihrer Abreise beschworen.
    Robert hatte ewig lange überlegt – wie es typisch für ihn war – und schließlich geantwortet: »Okay. Ich werde über die Vergangenheit kein Wort sagen, doch was die Zukunft betrifft, auch nicht lügen!« Dann hatte er auf die Uhr gesehen. »Heute ist der 13. April 2010, 18:14:07. In dieser Sekunde beginnt die Zukunft.«
    Und wenn es nun gar nicht um die Party ging, sondern um sie selbst? Loa.loa fiel ihr ein. Ihr könnt nie sicher sein, hatte man ihnen eingetrichtert.
    Kurz entschlossen sprang Julia auf und raffte ihre Sachen zusammen.
    Verwundert blickte Katie auf. »Was ist los?«
    »Lass mich vorbei!«
    Die Tasche fest an sich gepresst, erhob Julia sich. Der Sitz klappte mit einem lauten Klacken nach oben und dann drängte sie sich an Katie vorbei, rannte die Reihen nach unten und stürmte ohne eine Entschuldigung zur Tür hinaus.
    Sie holte Robert und die junge Dozentin erst kurz vor dem Büro des Dekans ein. Die Frau sagte etwas zu Robert und verschwand dann in dem Raum, der nur für die Dozenten bestimmt war.
    Als Robert klopfte, stand Julia bereits neben ihm. Er starrte sie noch verwundert an, doch da öffnete sich bereits die Tür und Mr Walden, der Dekan, erschien.
    »Sie wollten mit mir sprechen?«, sagte Robert.
    »Sind Sie Robert Frost?«
    »Ja.«
    »Und Sie?« Mr Waldens irritierter Blick traf Julia.
    »Julia Frost.«
    »Ich wollte eigentlich alleine mit Ihrem Bruder sprechen.«
    »Wir haben keine Geheimnisse voreinander«, erwiderte Julia und erinnerte sich rechtzeitig an die Strategie von Everybody’s Darling. Immer freundlich bleiben. Immer ein strahlendes Lächeln auf den Lippen. Im Notfall die Naive spielen. Sie rührte sich nicht vom Fleck.
    »Na dann«, seufzte der Direktor und hielt die Tür weit auf. »Ich muss sowieso mit jedem von Ihnen sprechen.«
    »Warum?«, fragte Robert. Er wirkte ruhig, fast zuversichtlich, so als wüsste er bereits, warum man ihn als Ersten gerufen hatte.
    »Nun«, erwiderte der Dekan langsam und strich sich über die Stirn. »Ich muss mit Ihnen sprechen, weil ein Mädchen verschwunden ist.«
    *
    Durch die riesigen Fenster des Büros hatte man einen atemberaubenden Blick auf den Lake Mirror. Die Sonne spiegelte sich im tiefblauen Wasser. Und dann trat Julia erschrocken einen Schritt zurück: Der Kopf eines Elches schwebte schwerelos im Raum – er gehörte zu einem grottenhässlichen Kronleuchter, den Julia im ersten Moment für ein normales Geweih gehalten hatte.
    Hier litt jemand unter totaler Geschmacksverirrung!
    »Setzen Sie sich!« Mr Walden wies mit der Hand auf zwei Stühle vor dem Schreibtisch. Seine Stimme klang eher nervös als streng.
    Julia hatte Mr Walden bisher nur von weitem zu Gesicht bekommen. Der Dekan maß knapp ein Meter fünfundsechzig und der Nadelstreifenanzug wirkte, als sei er zu groß oder Mr Walden zu klein. Was sein Aussehen betraf, gehörte der Dekan eindeutig zur Spezies der Weicheier, die zu Hause nur Pantoffeln trug, nie ohne Nasenspray aus dem Haus ging, Büroklammern im Portemonnaie aufbewahrte und täglich dreimal Zahnseide benutzte. Sein Haar war ungescheitelt, nicht weil eine vernünftige Frisur unmöglich gewesen wäre, sondern weil er sich offenbar schlichtweg nicht gekämmt hatte.
    Julia rief sich zur Ordnung. Jetzt war es nicht an der Zeit, sich Gedanken über die Frisur des Dekans zu machen! Der Direktor hatte von einem verschwundenen Mädchen gesprochen. Was hieß, dass Robert recht gehabt hatte! Oder etwa nicht?
    Mr Walden richtete seinen Blick auf sie beide und Julia hatte das Gefühl, sich in dem wässrigen Blau seiner Augen verschwommen zu sehen.
    »Nun, Robert, es geht auf dem Gelände das Gerücht, Sie hätten gestern Abend ein Mädchen ins Wasser fallen sehen. Nicht weit vom Bootshaus entfernt.« Er verzog seinen Mund. »Was genau Sie dort getrieben haben, möchte ich gar nicht wissen, ich hab im Moment andere Sorgen. Ich bitte Sie, erzählen

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