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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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ging ihm an diesem Morgen immer wieder durch den Kopf.
    Er hatte den Zweifel in Julias Augen erkannt, die Enttäuschung und die Angst. Und er wusste, dass die Zweifel nur dann verschwinden würden, wenn er ihr objektive Beweise liefern würde.
    Unwillkürlich stieß er einen Seufzer aus. Mit David war es so viel leichter als mit Julia. David wusste nichts von ihm. David stellte nicht alles infrage.
    Er hob den Kopf und starrte geradeaus. Irgendetwas an diesem Flur war seltsam. Er erschien ihm endlos, fast so, als hätte der Architekt ihn so konstruiert, dass alles auf einen Fluchtpunkt zulief, der sich immer weiter entfernte, je näher man kam. Überhaupt, es war Robert schon mehrfach aufgefallen: Etwas stimmte nicht mit der Optik des Gebäudes. Manchmal – wenn die Sonne durch die Fenster fiel – erschienen ihm die Wände nach außen gewölbt und die langen Flure schienen gekrümmt. Auch darüber musste er nachdenken. Auch dafür eine Erklärung finden.
    Robert spürte ein Kratzen im Hals, dazu hatte er Kopfschmerzen. Das Wasser war so kalt gewesen, geradezu frostig. Als ob lauter Eissplitter darin schwämmen. Seine Haut hatte gebrannt vor Eiseskälte und er fror noch immer.
    Aber daran durfte er jetzt nicht denken. Er schloss die Augen und konzentrierte sich. Der Abstand von einer Tür zur anderen betrug etwa vier Meter. Er wandte sich um. Sechs Türen lagen bereits hinter ihm, ebenso viel noch vor ihm. Während er weiterging, rechnete er. Dieser Flur maß also circa – Türen und Anfang und Ende eingerechnet – vierundsechzig Meter.
    Robert ging weiter, während er rechnete. Die Deckenhöhe betrug drei Meter zwanzig. Er hatte es in seinem Schlafzimmer gemessen. Jede Treppe hatte zwölf Stufen bis zum ersten Podest. Fotos gerahmt an den Wänden. Die Eröffnung des Colleges 1969; zehn Fotos der Jahrgänge 1969 bis 1977; Wiedereröffnung 2009. Es fehlte noch ihr Foto. Das des Studienjahrgangs 2010.
    Alles in die richtige Dimension rücken, in Zahlen ausdrücken, Regeln finden.
    Robert spürte, wie sein Kopf klar wurde. Es funktionierte einfach immer. Beweise erforderten logische Verknüpfungen. Man musste sich an Fakten halten. So einfach war das.
    Er passierte die Eingangshalle, die ihm im Vergleich zum restlichen Gebäude übertrieben elegant vorkam. So als wolle man jemanden täuschen; etwas vorspielen, was nicht existierte.
    Schnell durchquerte er sie und trat ins Freie, nur um festzustellen, dass vor dem Eingang ein Sicherheitsbeamter postiert war. Auf der Uniform prangte das Emblem des Colleges. Der Mann sprach etwas in sein Handy, das klang wie: »Okay, dann melde dich wieder.«
    Er beachtete Robert nicht. In der Ferne war ein rhythmisches Knattern zu hören, das die Stille des Tals durchschnitt.
    Die meisten Studenten hatten um diese Zeit Kurse, doch der Rasen vor dem Gebäude war nicht so leer wie sonst. Robert erkannte ein paar Studenten aus den älteren Semestern, die sich um zwei Dozenten scharten, und vorn entdeckte er Rose zusammen mit Katie.
    Hastig vergrub er die Hände in den Jeans und schritt die Stufen hinab. Einige Studenten, die ihn erkannten, starrten ihn neugierig an. So wie sie die Köpfe zusammensteckten, krönten sie ihn vermutlich gerade zur Witzfigur für die nächste Ausgabe des Grace Chronicle.
    Doch ihm war egal, was sie über ihn dachten. Scheißegal. Er war es gewohnt, dass man ihn für einen Freak hielt. Früher schon und jetzt auch wieder. Vermutlich würde es sich nie ändern.
    Also einfach weg von hier. Er musste irgendwo nachdenken. Er brauchte Stille, Ruhe, Zeit.
    Sperrzone, schoss ihm durch den Kopf. Ich brauche eine Sperrzone, einen Ort, an dem so schnell niemand vorbeikommt.
    »Hey, Rob!«
    Robert blieb stehen.
    Ausgerechnet Alex! »Warte mal.«
    Robert wurde schneller. Er hatte keine Lust, mit dem älteren Studenten zu sprechen. Jetzt schon gar nicht.
    Das rhythmische Rattern wurde lauter. Alex blieb stehen, legte den Kopf in den Nacken und starrte zum Himmel. Robert tat es ihm nach. Ein Hubschrauber tauchte über den Bäumen auf und näherte sich dem Collegegebäude.
    State Police.
    Männer in Uniformen. Robert hatte es schon einmal erlebt. Und nun wieder? Würde es nie aufhören?
    Alex verharrte einen Moment unschlüssig, dann wandte er sich um und verschwand in Richtung der Sporthalle, auf deren Dach sich der Hubschrauberlandeplatz befand.
    Robert seufzte erleichtert auf.
    Im selben Moment spürte er eine feuchte Schnauze an seinem Bein, dann streifte ihn dichtes,

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