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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Studenten saßen tatsächlich draußen an den Tischen und genossen die Sonnenstrahlen am frühen Morgen.
    »Bist du verrückt?«, erwiderte Rose. »Da draußen ist es arschkalt.«
    Der See hatte seine Farbe geändert und das dunkle Türkis hatte sich in ein intensives Blau verfärbt. Die Sonne erleuchtete die Berge, sodass die Felswände nicht mehr dunkelgrau und bedrohlich wirkten, sondern hell und geradezu unwirklich.
    Und in dem Moment, als Julia dachte, das wäre eine ideale Filmkulisse, fiel ihr Blick auch schon auf Benjamin. Er saß draußen im Schneidersitz auf der Balkonmauer und richtete die Kamera auf das nördliche Ufer, wo sich der Solomon-Felsen über Nacht noch weiter in den See geschoben zu haben schien.
    »Benjamin filmt schon wieder«, hörte sie Debbie. »Der ist doch krank, oder?«
    Weder Rose noch Julia antworteten ihr. Stattdessen stellten sie ihre Tabletts neben Robert und David ab, die schweigend nebeneinandersaßen.
    »Hi, Jungs«, flötete Debbie. »Na, habt ihr von Mädchen mit blauen Haaren geträumt?« Sie fuhr sich affektiert durch ihre dünnen Strähnen. »Vielleicht sollte ich meine färben lassen?«
    *
    Das Herumsitzen machte Julia nervös und kribbelig wie auch das Schweigen am Tisch. Sie konnte nicht mit Robert reden, wenn alle zuhörten. Sie beeilte sich daher, den Tee auszutrinken und den Joghurt zu essen. Vielleicht konnte sie sich noch vor dem Unterricht mit Robert unterhalten. Sie erhob sich gleichzeitig mit David. In seinem Gesicht lag der gewohnte ernste Ausdruck. Die hellbraunen Haare kringelten sich im Nacken und hätten einen Friseur benötigt, doch David war nicht der Typ, der sehr auf sein Aussehen achtete. Nicht wie Chris, schoss es Julia durch den Kopf.
    Wo war der überhaupt? Und wie stand sie inzwischen zu ihm, nach dem, was gestern passiert war? Es war zu viel, einfach zu viel. Zu viele Leute, zu viele neue Eindrücke. Ihr blieb keine Zeit, zur Ruhe zu kommen und über alles nachzudenken.
    David gähnte und zwinkerte ihr müde zu. »Komm, ich übernehme das für dich.« Er griff nach ihrem Tablett und stellte das leere Geschirr auf das Band. Sie blickte sich nach Robert um, doch sie sah nur noch seinen Rücken in der Tür verschwinden.
    Verdammt! Robert konnte so schrecklich nachtragend sein. Er vergaß nie etwas.
    »Kommst du mit rüber?«, fragte David. »Ich muss noch meine Bücher für Philosophie holen.«
    Sie nickte und schloss sich ihm an. Zusammen gingen sie durch die Flure in den Nordflügel.
    »Wie hast du geschlafen?«, fragte David.
    »Geht so«, murmelte sie.
    »Wird schon wieder«, sagte er aufmunternd. »Glaub mir, Robert verkraftet mehr, als du denkst. Er ist nicht so schwach, wie jeder glaubt. Sonst würde er heute mit vierzig Grad Fieber und Lungenentzündung im Bett liegen. Aber außer Halsschmerzen und Muskelkater fühlt er sich bestens.«
    »Und du?«
    »Ich? Ich glaube, das kalte Wasser hat mir gutgetan.« Er grinste.
    »Ich muss mich bei dir bedanken, dass du Robert …«
    »Musst du nicht.« Er blieb stehen, sah sie an, streckte die Hand aus, zögerte und strich ihr schließlich eine Haarsträhne aus der Stirn. Julias Herz klopfte.
    Plötzlich wurde ihr bewusst, wie alleine sie sich hier im Grunde genommen fühlte, trotz der vielen Menschen. Wie einsam. So verdammt einsam. Denn sich mit jemandem richtig zu befreunden bedeutete, dass sie demjenigen vertrauen musste und er – ihr. Und das war nicht möglich. Abgesehen davon, dass sie ganz bestimmt nichts von David wollte, so nett er auch war.
    Hastig setzte sie sich wieder in Bewegung.
    David folgte ihr. Ein fragender Ausdruck lag in seinem Gesicht, doch er kam nicht mehr dazu, etwas zu sagen, denn in diesem Moment kam ihnen Chris entgegen. Er trug eine dunkelblaue Sporthose von Adidas, Laufschuhe und ein Handtuch um die Schultern. Offensichtlich war er gerade joggen gewesen.
    Doch statt sie zu begrüßen, würdigte er sie keines Blickes, sondern ging einfach an David und Julia vorbei, als seien sie nicht vorhanden. Fassungslos starrte Julia ihm hinterher.
    »Was zum Teufel ist mit Chris los?«, fragte sie.
    »Was soll mit ihm sein?«, fragte David. Seine Stimme klang belegt.
    »Na ja. Ich blicke einfach nicht durch. Gestern Abend – als das mit Robert und dir passiert ist – da war er wie ausgewechselt. Nicht so zynisch, menschenverachtend. Sondern … na ja, er hat sich gekümmert. Sich Sorgen gemacht. Und jetzt ist er wieder so … total wechselhaft!«
    »Muss am Wetter hier im Tal

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