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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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glitzerten. Das Boot schaukelte unter ihr, und die Ruder quietschten leise in ihren Halterungen, während Ena, das Skimmermädchen, mit der mühelosen Geschmeidigkeit eines spielenden Otters die Ruderblätter durchs Wasser zog.
    Nur ein Traum! Zoria sei Preis und Dank! Dann lebt Barrick also noch — ich wüsste es, wenn nicht.
Doch obwohl der Rest des schrecklichen Albtraums dahingeschmolzen war wie Nebel, war das raue, mühsame Atmen immer noch da. Sie drehte sich um und sah Shaso dan-Heza hinter sich im Boot lehnen, die Augen geschlossen, die Zähne zusammengebissen und gebleckt, sodass sie in seinem dunklen Gesicht vom Sternenlicht schimmerten. In seiner Kehle rasselte es; der alte Tuanikrieger schien dem Tod nahe.
    »Shaso? Könnt Ihr sprechen?« Als er nicht antwortete, packte Briony das Skimmermädchen an der schmalen, festen Schulter. »Er ist krank, verfluchtes Geschöpf! Hörst du's denn nicht?«
    »Natürlich höre ich ihn, Herrin.« Die Stimme des Mädchens war überraschend hart. »Glaubt Ihr, ich wäre taub?«
    »Tu was! Er stirbt!«
    »Was soll ich denn tun, Prinzessin Briony? Ich habe seine Wunden gereinigt und verbunden, ehe wir das Haus meines Vaters verlassen haben, und ich habe ihm gutes Seekraut als Arznei gegeben, aber er fiebert immer noch. Er braucht Ruhe und ein warmes Feuer, und vielleicht würde ihm nicht mal das helfen.«
    »Dann müssen wir an Land! Wie weit noch bis zur Küste von Marrinswalk?«
    »Noch mal die halbe Nacht, Herrin, mindestens. Deshalb fahre ich ja wieder zurück.«
    »Zurück?
Hast du den Verstand verloren? Wir sind auf der Flucht vor Mördern! Die Burg ist jetzt in den Händen meiner Feinde!«
    »Ja, und die Feinde werden Euch hören, Herrin, wenn Ihr so laut schreit.«
    Briony konnte das Gesicht unter der Umhangkapuze kaum erkennen, aber sie merkte auch so, dass das Mädchen sich über sie lustig machte. Dennoch, in einem jedenfalls hatte Ena recht: »Gut, ich werde leiser reden — und
du
wirst dich klar und deutlich ausdrücken! Was hast du vor? Wir können nicht auf die Burg zurück. Dort wäre Shaso der Tod sicher, da könnten wir ihn ebenso gut hier und jetzt ins Wasser werfen. Und mich würden sie auch töten.«
    »Ich weiß, Herrin. Ich hab ja nicht gesagt, dass ich Euch wieder zur Burg zurückbringe. Ich hab nur gesagt, ich rudere wieder zurück. Wir brauchen so schnell wie möglich ein Dach überm Kopf und ein Feuer. Ich bringe Euch an eine Stelle in der Bucht, östlich der Burg — Skean Egye-Var heißt sie bei meinem Volk — ›Erivors Schulter‹ in Eurer Sprache.«
    »Erivors Schulter? So einen Ort gibt es nicht ...!«
    »Doch, und da steht ein Haus — ein Haus, das Eurer Familie gehört.«
    »Es gibt keinen solchen Ort!« Einen Moment lang war Briony so wütend und entsetzt bei der Vorstellung, dass Shaso in ihren Armen sterben würde, dass sie das Mädchen beinahe geschlagen hätte. Dann begriff sie plötzlich. »M'Helansfels! Du meinst das Jagdhaus auf dem M'Helansfels.«
    »Ja. Und da vorn ist es.« Das Skimmermädchen hielt die Ruder still und zeigte auf eine dunkle Erhebung am nahen Horizont. »Preis sei denen in der Tiefe, da scheint niemand zu sein.«
    »Da hat auch niemand zu sein — wir waren diesen Sommer nicht dort, jetzt, wo Vater weg ist und überhaupt. Kannst du dort anlegen?«
    »Ja, Herrin, wenn Ihr mich drüber nachdenken lasst, was ich tue. Um diese Nachtzeit, kurz vor dem Morgen, ist die Strömung stark.«
    In bangem Schweigen saß Briony da, während das Skimmermädchen die Ruder so geschickt bewegte, als wären sie Fortsätze ihrer Arme, und das bockende Boot in einem quälend langsamen Bogen um die Insel steuerte, auf der Suche nach der Einfahrt zwischen den Felsen.
    Sonst war Briony immer auf der königlichen Bark hierher gelangt, hatte hoch überm Wasser an der Reling gestanden, während die Seeleute des Königs an Bord hin und her geeilt waren, um dafür zu sorgen, dass die Einfahrt glatt verlief. Deshalb war ihr bisher nie aufgefallen, wie schwierig dieses Manöver war. Jetzt, da die Felsen über ihr dräuten wie Riesen und die Wellen Enas kleines Boot auf und ab tanzen ließen, als wäre es nur ein Schaumflöckchen auf einem Eimer mit schwappendem Putzwasser, umklammerte sie in stummer Furcht mit einer Hand das Dollbord und mit der anderen eine Falte des dicken, groben Hemds, das die Skimmer Shaso gegeben hatten, im Bemühen, den alten Mann aufrecht zu halten.
    Als es gerade so aussah, als hätte sich das Skimmermädchen

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