Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
verströmt Gift .« Er musste dagegen ankämpfen zu weinen. Alles schien aufs Äußerste gespannt, schien kurz davor zu stehen, in Stücke gerissen zu werden, eine Wirklichkeit, die schlagartig in Fetzen war, davongepeitscht von wahnsinnigen Winden.
Skintick seufzte abgehackt. »Gift. Und warum dürstet es mich dann nach mehr?«
Auf diese Frage gab es keine Antwort. Hat sich hier eine Wahrheit manifestiert? Ernähren wir uns alle vom Schmerz der anderen? Lachen wir über das Leid, und tanzen wir darauf herum, einfach nur, weil es nicht unser eigenes ist? Kann so etwas süchtig machen? Zu einem unstillbaren Bedürfnis werden?
Schlagartig veränderte sich die Tonlage des fernen Stöhnens, verwandelte sich in Schreie. Schreckliche, raue Schreie – die Geräusche eines Gemetzels. Nenanda war plötzlich an der Tür, das Schwert in der Hand.
»Warte!«, rief Kedeviss. »Hör doch! Das ist nicht er . Das sind sie ! Er bringt sie alle um – willst du ihm helfen, Nenanda? Willst du das?«
Nenanda schien in sich zusammenzusacken. Er machte einen Schritt zurück, erschüttert, hilflos.
Die Schreie dauerten nicht lange. Und als der letzte abebbte und schließlich endgültig verklang, hatten auch die Schreie des Sterbenden Gottes aufgehört. Jenseits der Tür des Gasthauses war nichts, als wäre das Dorf – die ganze Welt da draußen – weggerissen worden.
Drinnen schlief niemand. Sie hatten sich alle zurückgezogen, mit nichts als ihren eigenen Gedanken beschäftigt, lauschten nur der allzu vertrauten Stimme einer Seele, die mit sich selbst sprach. Nimander sah in den Gesichtern seiner Verwandten einen dumpfen Schock, eine Trostlosigkeit in den starrenden Augen, die nichts wahrnahmen. Er spürte die Kapitulation von Aranathas Willen, ihrer Macht, als die Drohung verging und sie sich wieder so weit in ihr Innerstes zurückzog, dass ihre Gesichtszüge erschlafften, fast leblos wurden, da der scheue, gehetzte Ausdruck noch nicht bereit war, erneut zu erwachen.
Desra stand am Fenster, hatte die inneren Läden zur Seite gezogen und starrte auf eine leere Hauptstraße hinaus, während die Nacht dahinkroch, was Nimander dazu brachte, sich zu fragen, was für eine Art von innerem Zwiegespräch sie wohl führen mochte – wenn sie denn tatsächlich eines führte, wenn sie nicht einfach nur eine Kreatur aus Empfindungen war, die auf den Strömungen des Instinkts dahinglitt und jede Entscheidung nachträglich damit rechtfertigte, dass sie schlicht und einfach notwendig gewesen war.
»Deine Gedanken sind grausam.«
Phaed. Lass mich in Ruhe, Geist.
»Versteh mich nicht falsch. Ich stimme dir zu. Desra ist ein Flittchen. Sie hat das Hirn eines Flittchens, das Geben mit Nehmen verwechselt, Geschenke mit Verlust, Einladung mit Kapitulation. Sie ist eine Hure der Macht, Nimander, und deshalb steht sie da und wartet darauf, ihn zu sehen, wartet darauf, diesen stolzierenden Mörder zu sehen, den sie mit in ihr Bett nehmen würde. Sie verwechselt alles, ja. Tod mit Leben. Verzweiflung mit Feierlichkeiten. Furcht mit Verlangen und Lust mit Liebe.«
Verschwinde.
»Aber genau das willst du doch in Wirklichkeit gar nicht, denn dann würdest du für die andere Stimme in deinem Kopf verwundbar werden. Für die süße Frau, die all diese zärtlichen Worte murmelt – kann ich mich eigentlich daran erinnern, solche Worte jemals gehört zu haben, als sie noch am Leben war?«
Hör auf.
»Im Käfig deiner Vorstellung, auf selige Weise gefeit vor allem, was wirklich war – oh, ja vor der ganzen grausamen Gleichgültigkeit –, machst du so viel aus so wenig, Nimander. Ein zufälliges Lächeln. Ein Blick. In deinem Käfig liegt sie in deinen Armen, und das ist die reinste Liebe, nicht wahr? Unbefleckt, ewig …«
Hör auf, Phaed. Du hast nicht die geringste Ahnung. Du warst zu jung, zu ichbesessen, um irgendetwas von irgendjemand anderem zu sehen, es sei denn, es hat dich bedroht.
»Und sie war keine Bedrohung?«
Du wolltest mich nie auf diese Weise – sei nicht absurd, Geist. Erfinde keine…
»Ich erfinde nichts! Du warst einfach nur zu verblendet, um das zu sehen, was direkt vor deiner Nase war! Und ist sie durch den Speer eines Tiste Edur gestorben? Ist sie das tatsächlich? Wo war ich denn in dem Augenblick, Nimander? Kannst du dich erinnern, mich überhaupt gesehen zu haben?«
Nein, das war zu viel.
Aber sie ließ nicht locker. »Was glaubst du denn, warum die Vorstellung, Sandalath zu töten, so leicht für mich war? Meine
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