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Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Titel: Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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hat. Doch wer würde dieses Schicksal nicht wählen, wenn die Alternative Mitleid heißt?
    Natürlich war Mitleid ein bei den Tiste Andii praktisch ausgestorbenes Gefühl, und dies betrachtete Endest Silann als eine der seltenen Segnungen seiner Art. Denn diese Art von Aufmerksamkeit hätte er nicht lange ertragen können. Was seine quälenden Erinnerungen anging, nun, es war wirklich außerordentlich, wie lange man einem solchen Druck standhalten konnte. Doch er wusste, dass er in dieser Hinsicht nicht einzigartig war – quälende Erinnerungen waren schließlich die Bürde seines ganzen Volkes. Reichte das aus, um seine Einsamkeit zu mildern? Vielleicht.
    Die Dunkelheit war jetzt schon so lange stumm, dass sein Traum, das Flüstern seiner Sphäre – seines Geburtsorts – noch einmal zu hören, längst zu weniger als Asche zerfallen waren. Daher war es kein Wunder – das war es doch nicht, oder? –, dass er jetzt schweißgebadet im Zwielicht seines Zimmers saß und jeder einzelne Schweißtropfen seinem Körper die Wärme zu rauben schien. Ja, sie hatten Kurald Galain hier in dieser Stadt manifest werden lassen, in einem Akt gemeinsamen Willens. Doch es war eine gesichtslose Macht – Mutter Dunkel hatte sie verlassen, und egal, wie groß ihr Verlangen in dieser Hinsicht auch sein mochte, es änderte nichts.
    Also … was ist dann dies?
    Wer spricht mit solch einer Macht?
    Kein Flüstern, sondern ein Ruf; ein Schrei, der vor … ja, vor was denn … strotzte. Vor Beleidigung. Entrüstung. Empörung. Wer ist das?
    Er wusste, dass er nicht der Einzige war, der diesen Angriff spürte – überall in ganz Schwarz-Korall musste es vielen anderen ähnlich ergehen. Vermutlich verharrten in diesem Augenblick sämtliche Tiste Andii reglos – egal, ob sie saßen oder standen –, mit klopfendem Herzen, die Augen vor Furcht und Verwunderung weit aufgerissen. Und vielleicht auch vor … Hoffnung.
    Konnte es denn sein?
    Er dachte kurz daran, den Tempel aufzusuchen, um von der Hohepriesterin höchstpersönlich … etwas, irgendetwas zu hören – eine Verkündigung, eine Erkenntnis, die sie ihm kundtat. Stattdessen stellte er fest, dass er taumelnd sein Zimmer verließ, den Korridor entlangeilte und dann die Treppen hinaufstieg, immer im Kreis herum und herum, wie im Rausch. Hinauf in das nach Süden ausgerichtete Reich seines Lords. Er stolperte hinein und fand Anomander Rake auf seinem Stuhl mit der hohen Lehne sitzend vor, den Blick auf das längliche Fenster und das viel weiter unten in einem Wirbel aus Silber und Schwarz tosende Meer gerichtet, in dessen Tiefen unbekannte Strömungen aufeinanderprallten.
    »Mein Lord«, keuchte Endest.
    »Hatte ich eine andere Wahl?«, fragte Anomander Rake, den Blick noch immer auf den fernen Tumult gerichtet.
    »Mein Lord?«
    »In Kharkanas. Hast du mit ihr übereingestimmt? Mit ihrer … Beurteilung? Endest Silann? Habe ich nicht wahrhaft gesehen, was kommen würde? Vor der Ankunft des Lichts waren wir in einen Bürgerkrieg verstrickt. Waren verwundbar für die Mächte, die schon bald geboren werden würden. Ohne Tiamathas Blut hätte ich niemals … Frieden erzwingen können. Einigung.«
    »Majestät«, sagte Endest Silann … und stellte fest, dass er nicht weitersprechen konnte.
    Rake schien ihn zu verstehen, denn er seufzte und sagte: »Ja, einen überaus zweifelhaften Frieden. Für so viele war es der Frieden des Todes. Was die Einigung angeht, nun ja, die hat sich als jämmerlich kurzlebig erwiesen, nicht wahr? Und doch frage ich mich noch immer … wenn ich Erfolg gehabt hätte – wirklich Erfolg gehabt hätte –, hätte das ihre Meinung geändert?«
    »Mein Lord – es geschieht etwas.«
    »Ja.«
    »Was sollen wir tun?«
    »Oh, mein Freund, du hast natürlich recht, das zu fragen. Kümmere dich nicht um die Hohepriesterin und ihre Antwort – es ist doch sowieso immer die gleiche, oder? Wer ruft den Kriegsruf von Kurald Galain? Lass uns die Antwort zwischen ihren Beinen suchen. Aber selbst das kann schließlich ermüdend werden. Aber Spinnock Durav gegenüber solltest du meine Worte nicht erwähnen – ich möchte ihm seine gelegentlichen Vergnügungen nicht verleiden.«
    Endest Silann wollte aufschreien, wollte sich auf seinen Lord stürzen, ihn am Hals packen und … ja, was eigentlich? Er wollte etwas aus ihm herauszwingen – aber was? Er wusste es nicht. In seinen Augen war der Sohn der Dunkelheit das klügste Wesen – ob sterblich oder unsterblich, das spielte keine

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